Zusammenfassung
Hintergrund
In Folge der europäischen Richtlinienvorgaben (2004/23/EG, 2006/17/EG und 2006/86/EG) erfolgte im Mai 2007 die teilweise Umsetzung in nationales, deutsches Recht durch die Verabschiedung des Gesetzes über Qualität und Sicherheit von menschlichen Zellen und Geweben (Gewebegesetz). Es trat als Artikelgesetz am 01. August 2007 in Kraft. Das Gesetz enthält u. a. die Festlegung von Sicherheits- und Qualitätsstandards für die Spende, Beschaffung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen. – Vor diesem Hintergrund wurde im Jahre 2006 am Institut für Rechtsmedizin (I.f.R.) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf das Modell für eine gewebeentnehmende Einrichtung entwickelt, welches den gesetzlichen Neuentwicklungen des Gewebegesetzes bereits Rechnung trägt.
Methode
In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Zell- und Gewebeersatz (DIZG), einer gemeinnützigen Einrichtung mit Herstellererlaubnis, wurde am I.f.R. ein Prozess entwickelt, der es ermöglicht, Verstorbene aufgrund verbindlich festgelegter Auswahlkriterien für eine postmortale Gewebespende (PMGS) zu qualifizieren. Das Verfahren wird durch Darstellung der vorgesehenen Ausschlusskriterien durch den Gewebeverordnungsentwurf (TPG-GewV) nach Maßgabe der Durchführungsrichtlinie 2006/17/EG für zukünftige Gewebeentnahmen ergänzt.
Ergebnisse
Aufgrund der Evaluationskriterien konnte bei 14% der im I.f.R. eingelieferten Verstorbenen, die für eine PMGS geeignet waren, diese auch erfolgreich durchgeführt werden. Das entnommene Gewebe wurde zur weiteren Prozessierung an die DIZG versendet. Dort erfolgt nach entsprechender Prozessierung und Konfektionierung zu Gewebeprodukten die Vermittlung an Kliniken innerhalb Deutschlands und des EU-Auslands.
Diskussion
Die Ergebnisse zeigen, dass die gegenwärtige Anzahl der PMGS im Vergleich zum Gesamtaufkommen in Hamburg Verstorbener noch recht gering ausfällt. Dieses wird sich mittelfristig nur durch Transparenz und engagierte Öffentlichkeitsarbeit zum Positiven verändern. Der Bedarf an Gewebeersatz wird deutschlandweit vermutlich eine steigende Tendenz erfahren.
Abstract
Background
In the course of the European guidelines (2004/23/EC, 2006/17/EC and 2006/86/EC) and necessary subsequent corrections, a new law on tissue donation and retrieval for the purpose of transplantation was implemented in the German legislation in May 2007. The law came into force on August 1st 2007. The law regulates safety and quality standards for the donation, retrieval, storing and distribution of human tissues and cells. In anticipation of this new tissue law, the Institute for Legal Medicine (I.f.R.) of the University Medical Center Hamburg-Eppendorf developed the model for a tissue retrieval unit in 2006 already.
Methods
The I.f.R. developed, in collaboration with the German Institute of Cell and Tissue Replacement (Deutsches Institut für Zell- und Gewebeersatz DIZG); a model allowing for identification of potential Post Mortem Tissue Donors (PMTD) among deceased applying defined criteria. The procedure is supplemented by the intended exclusion criteria of the tissue regulation draft (TPG GewV) in accordance with the European guideline (2006/17/EC).
Results
In 14% of deceased eligible for PMTD tissue donation was effectuated thanks to the application of the criteria. The retrieved tissue was then sent to the DIZG, a non-profit tissue bank with a licence for further processing. This final processing into transplantable tissue then resulted in the allocation to hospitals in Germany and other EU countries.
Discussion
Our results up to now show a relatively small number of PMTD in comparison to the big amount of deceased within the Hamburg area. The aim of the model developed by the I.f.R. is to increase the PMTD and to avoid any conflict of interest between organ donation and tissue donation.
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Interessenkonflikt
Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Karbe, T., Wulf, B., Jakob, S. et al. Das neue deutsche Gewebegesetz unter Berücksichtigung des TPG-Gewebeverordnungsentwurfs hinsichtlich praktischer Umsetzung der postmortalen Gewebespende. Rechtsmedizin 17, 380–386 (2007). https://doi.org/10.1007/s00194-007-0480-9
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00194-007-0480-9
Schlüsselwörter
- Transplantationsgesetz
- Deutsches Gewebegesetz
- Gewebespende
- Arzneimittelgesetz
- TPG-Gewebeverordnung-Entwurf