Hintergrund

Für Beschäftigte im Gesundheitsdienst besteht bei der Betreuung von infektiösen Patienten ein erhöhtes Infektionsrisiko. Für die von einer Infektionskrankheit betroffenen Mitarbeiter kann eine Infektion schwerwiegende, mitunter tödliche Folgen haben [24]. Epidemiologische Studien zu beruflich bedingten Infektionskrankheiten haben sich in Deutschland bislang nur mit einzelnen Krankheitsbildern beschäftigt [3, 12, 18, 20, 23, 27, 28]. Aufgrund des häufig verwendeten Querschnittdesigns kann es sich dabei immer nur um eine Momentaufnahme handeln. Um Trends bei beruflich bedingten Erkrankungen über längere Zeiträume darzustellen, bieten sich die Basisdaten der gesetzlichen Unfallversicherung an. Hierbei handelt es sich um Daten, die von Unfallversicherungsträgern (UV-Träger) im Rahmen des Meldeverfahrens zu Berufskrankheiten (BK) erhoben werden. Die Erfassung der Daten erfolgt nach der für alle UV-Träger verbindlichen Berufskrankheiten-Dokumentation (BK-DOK) [5]. Diese Daten werden seit 1975 erfasst und enthalten neben der Darstellung des versicherungsrechtlich relevanten Verlaufs auch Angaben zu Tätigkeit, Exposition und medizinischer Manifestation der Erkrankung für jede meldepflichtige Anzeige auf Verdacht einer Berufskrankheit. Nach Ablauf des Geschäftsjahres werden die Daten bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zu einem Datenpool aggregiert. Ausgewählte Kennzahlen des Unfall- und Berufskrankheitengeschehens werden jährlich von der DGUV veröffentlicht [6]. Im Berichtsjahr 2013 verzeichnete die DGUV 1704 Verdachtsfälle auf eine von Mensch zu Mensch übertragbare Infektionskrankheit, davon betrafen 55,5 % Meldungen, die bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) eingegangen waren [6]. Die BGW ist der gesetzliche UV-Träger für nichtstaatliche Einrichtungen im Gesundheitsdienst. Infektionskrankheiten machten bei der BGW im Jahr 2014 rund 8 % aller meldepflichtigen BK-Verdachtsanzeigen aus [2]. Die Entschädigungsleistungen, die von der BGW für Versicherte mit einer berufsbedingten Infektionskrankheit aufgebracht wurden, beliefen sich im selben Jahr auf knapp 27 Mio. € [2].

Zum BK-Geschehen bei Infektionskrankheiten im Gesundheitsdienst wurden die Kennzahlen der BGW bereits für den Zeitraum 2007 bis 2011 betrachtet [8]. In dieser Arbeit werden die aktuellen Zahlen für die Jahre 2010 bis 2014 präsentiert.

Berufskrankheiten-Verfahren

In Deutschland besteht bei einem begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer BK für Ärzte eine Anzeigepflicht. Allerdings können auch Krankenkassen, Arbeitgeber, betriebliche Interessenvertreter oder Versicherte eine BK-Verdachtsanzeige bei den Trägern der UV oder beim Landesgewerbearzt erstatten. Der UV-Träger prüft von Amts wegen durch das Feststellungsverfahren, ob tatsächlich eine BK im Sinne der Berufskrankheitenverordnung (BKV) vorliegt. In Deutschland gilt ein gemischtes Berufskrankheitensystem, wonach Erkrankungen dann als BK gelten, wenn sie in der BK-Liste der BKV enthalten sind oder wenn für sie als Einzelfälle nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen die Voraussetzungen für die Anerkennung als BK erfüllt sind (§ 9 Abs. 1 und 2 SGB VII). Damit bei einer Erkrankung der BK-Verdacht bestätigt werden kann, muss zwischen versicherter Tätigkeit und schädigender Einwirkung ein ursächlicher Zusammenhang nachgewiesen werden (Vollbeweis). Die Erkrankung muss ebenfalls im Vollbeweis nachgewiesen sein. Zwischen schädigender Einwirkung und der Erkrankung muss ein wahrscheinlicher Zusammenhang bestehen, d. h., der kausale Zusammenhang zwischen Exposition und Erkrankung muss nicht im Vollbeweis nachgewiesen werden, sondern er muss wahrscheinlich sein. Dabei ist es auch möglich, dass die schädigende Einwirkung wesentliche Teilursache und nicht alleinige Ursache ist. Bei einigen Berufskrankheiten müssen darüber hinaus besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen erfüllt sein, bevor der BK-Verdacht bestätigt werden kann. Eine beruflich bedingte Infektionskrankheit kann entweder als Versicherungsfall ohne Rentenanspruch – wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit geringer als 20 % ist – oder mit Rentenzahlung, sog. neue BK-Rente, anerkannt werden. Bei den als BK anerkannten Infektionskrankheiten ohne Rentenzahlung werden vielfach Leistungen in anderer Form erbracht, z. B. Aufwendungen für Heilbehandlung, Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben. In den Fällen, in denen sich der BK-Verdacht nicht bestätigt hat, erfolgt eine Ablehnung.

Beruflich bedingte Infektionskrankheiten

In der Gruppe 3 der BK-Liste sind die durch Infektionserreger verursachten Krankheiten zusammengefasst (BK Nr. 3101 bis 3104). Unter der BK 3101 befinden sich die von Mensch zu Mensch übertragbaren Krankheiten, für die der Vorbehalt gilt, dass sie nur dann als BK anerkannt werden können, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht wurden (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Bei diesen besonders gefährdeten Bereichen handelt es sich um Tätigkeiten im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in Laboratorien. Für Tätigkeitsbereiche außerhalb des Gesundheitsdienstes kann eine am Arbeitsplatz erworbene Infektion auch anerkannt werden, allerdings nur als Unfall [4]. Unter der BK 3102 werden Infektionen erfasst, die von Tier zu Mensch übertragen werden. Die BK 3103 beinhaltet Wurmerkrankungen von Bergleuten und ist von rein historischer Bedeutung. Tropenkrankheiten werden als BK 3104 erfasst.

Dokumentation der Berufskrankheiten-Meldungen

Die wesentlichen Merkmale eines BK-Falls werden bei dem jeweils zuständigen UV-Träger standardisiert in der BK-DOK erfasst. Verdachtsanzeigen auf eine BK 3101 werden grundsätzlich als meldepflichtig erfasst, wenn Hinweise auf eine Infektion vorliegen. Dies gilt unabhängig davon, welche versicherungsrechtliche Entscheidung im Feststellungsverfahren später getroffen wird. Träger von Hepatitisviren oder Tbc-Bakterien werden ebenso wie latente Tuberkuloseinfektionen (sog. Konversionsfälle) als meldepflichtig erfasst. Kontakte zu Blut oder zu infektiösen Patienten sind nicht meldepflichtig. Allerdings können die Kosten für die Postexpositionsprophylaxe von den UV-Trägern übernommen werden. Verdachtsanzeigen, die als nicht meldepflichtig klassifiziert werden, durchlaufen kein Feststellungsverfahren. Da es sich bei diesen um zeitaufwendige Verfahren handelt, die unter Umständen nicht mehr im Jahr der BK-Meldung entschieden werden, enthalten die in dem jeweiligen Berichtsjahr entschiedenen Fälle auch Verdachtsanzeigen aus früheren Jahren.

Methode

Die Auswertung basierte auf dem BK-DOK-Datenbestand der BGW. Einschlusskriterium war eine meldepflichtige Verdachtsanzeige auf die BK Nr. 3101 in den Berichtsjahren 2010 bis 2014. Die BK Nummern 3102, 3103 und 3104 wurden bei dieser Auswertung nicht berücksichtigt. Für die Auswertung wurden 3 weitere Merkmale herangezogen: die versicherungsrechtliche Entscheidung, ein sechsstelliger BK-Schlüssel und ein vierstelliger Branchenschlüssel. Bei den beiden Schlüsseln handelte es sich um BGW-interne Kodierungen: Der BK-Schlüssel erlaubt eine Differenzierung von 31 Krankheitsgruppen, der Branchenschlüssel wird zur Verschlüsselung des Tätigkeitsbereiches verwendet.

Die Basisdaten zu Verdachtsanzeigen und als Berufskrankheit anerkannten Infektionskrankheiten werden als absolute Fallzahlen für die häufigsten Krankheiten dargestellt. Zur Beurteilung des Erkrankungsrisikos eines Versicherten werden relative Melde- und BK-Quoten verwendet. Dazu wurden die absoluten Fallzahlen der angezeigten und anerkannten BK-Fälle zur Zahl der in dem jeweiligen Bereich beschäftigten Vollarbeiter (VA) ins Verhältnis gesetzt. Ein VA entspricht dabei der durchschnittlich von einer vollbeschäftigten Person im produzierenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich tatsächlich geleisteten Arbeitsstundenzahl [6]. Teilzeitbeschäftigte werden statistisch in VA umgerechnet. Anhand der Melde- bzw. BK-Quoten wird das Auftreten der BK 3101 für ausgewählte Versorgungsbereiche im Gesundheitsdienst dargestellt, für die ein erhöhtes Infektionsrisiko angenommen wurde. Bei den 4 Versorgungsbereichen handelt es sich um

  1. 1.

    Krankenhäuser,

  2. 2.

    stationäre Alten- und Krankenpflege (inklusive stationäre Rehabilitation),

  3. 3.

    ambulante Dienste und

  4. 4.

    Arztpraxen (alle Facharztrichtungen inklusive Zahnarztpraxen).

Diese 4 Versorgungsbereiche enthalten 40 der insgesamt 303 Branchenschlüssel und repräsentieren 84 % der Verdachtsanzeigen auf eine BK 3101 und 90 % der anerkannten BK-3101-Fälle. Die übrigen 263 Branchenschlüssel wurden in der Gruppe „Sonstige“ zusammengefasst.

In dieser Arbeit werden die Daten für das Berichtsjahr 2014 ausgewertet. Die Entwicklung in den Jahren 2010 bis 2013 wird ergänzend dargestellt.

Ergebnisse

Im Berichtsjahr 2014 gingen bei der BGW 8928 Meldungen zu einer BK 3101 ein. In 927 (10,4 %) Fällen handelte es sich um eine meldepflichtige Verdachtsanzeige (Tab. 1). Dies bedeutet gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um 18 Fälle bzw. 1,9 % und gegenüber 2007 einen Anstieg um 15 %. Bei den durch Blut übertragbaren Erkrankungen prägten die viralen Hepatitiden wie auch in den vorangegangenen Jahren das Bild. Für Hepatitis B wie auch für Hepatitis C setzte sich der rückläufige Trend bei der Anzahl der jährlich gemeldeten Verdachtsfälle fort. Bei den luftübertragbaren Erkrankungen stand die Tuberkulose im Vordergrund. Ein Drittel aller Verdachtsanzeigen betraf die latente Tuberkuloseinfektion (LTBI). Die Gruppe der Kontaktinfektionen wurde von Skabies mit fast 200 Verdachtsanzeigen angeführt.

Tab. 1 Anzeigen auf Verdacht einer berufsbedingten Infektionskrankheit (BK 3101) – meldepflichtige Fälle gruppiert nach Übertragungsweg; Daten der BGW für 2010 bis 2014

Im Berichtsjahr 2014 wurden 988 Feststellungsverfahren abgeschlossen und damit eine versicherungsrechtliche Entscheidung getroffen. Dabei wurde der BK-Verdacht in 496 Fällen bestätigt, womit sich eine Anerkennungsquote von 50,2 % ergibt (Tab. 2). Gegenüber dem Vorjahr war dies ein Anstieg um 32 Fälle bzw. 7 % und gegenüber 2010 um 27 %. Mehr als 40 % aller anerkannten Berufskrankheiten entfielen auf die LTBI und 27 % auf Skabies, wobei durch diese beiden Krankheitsgruppen keine nachhaltigen Gesundheitsschäden mit der Folge einer Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht wurden. Wesentliche Anteile an den anerkannten Berufskrankheiten haben noch die Tuberkulose (16 %) und die Hepatitis C (5,4 %). Im Berichtsjahr 2014 waren insgesamt 10 Todesfälle infolge einer BK 3101 zu verzeichnen – als Folge einer Hepatitis C (n = 5), einer Hepatitis B (n = 3) und einer Tuberkulose (n = 2).

Tab. 2 Anerkannte berufsbedingte Infektionskrankheiten (BK 3101); Daten der BGW für 2010 bis 2014

Für 34 der anerkannten Berufskrankheiten (7 %) wurde erstmals 2014 eine neue BK-Rente bewilligt. Mit 20 Fällen entfielen davon fast zwei Drittel (59 %) auf Hepatitis C. Es folgten mit einigem Abstand neue Renten aufgrund einer Tuberkulose (5 Fälle bzw. 15 %) und einer Hepatitis B (4 Fälle bzw. 12 %). Zwei von 3 als Berufskrankheit anerkannten HIV-Infektionen hatten zu einem Rentenanspruch geführt. Bei Influenza, Keuchhusten oder Masern, Mumps oder Röteln gab es nur in wenigen Fällen eine neue Rente. Weniger als 3 % aller als BK anerkannten Infektionskrankheiten betreffen andere als die in der Tab. 2 aufgeführten Krankheitserreger. Darunter waren Erreger wie Clostridien, Rotaviren der Gruppe A, Yersina enterocolica, Chlamydia-Bakterien und Legionella-pneumophila-Bakterien.

Die Verdachtsmeldungen stammten zu 38 % aus Krankenhäusern, zu 28 % aus der stationären Alten- und Krankenpflege, zu 15 % aus Arztpraxen und zu 6 % aus ambulanten Diensten. Bei Berücksichtigung der Beschäftigtenzahlen lagen die Meldungen je 100.000 VA am höchsten in Krankenhäusern und am niedrigsten in ambulanten Diensten und Arztpraxen (Tab. 3). Die Häufigkeit der anerkannten BK 3101 je 100.000 VA ist insgesamt um 15 % gestiegen, von 9,5 im Jahr 2010 auf 10,9 im Jahr 2014. Das Erkrankungsrisiko variierte jedoch stark je nach Versorgungsbereich (zwischen 5,0 in ambulanten Diensten und 43,0 in Krankenhäusern; Tab. 4).

Tab. 3 Verdachtsanzeigen auf eine BK 3101 und Meldequoten pro 100.000 Vollarbeiter nach Versorgungsbereich; 2010–2014
Tab. 4 Anerkannte Infektionskrankheiten (BK 3101) und Berufskrankheiten (BK)-Quoten nach Versorgungsbereich; 2010–2014

Diskussion

Entsprechend unserer Analyse gibt es bei den durch Blut übertragbaren Hepatitisinfektionen weiterhin eine rückläufige Entwicklung. Neben der Tuberkulose bleiben sie aber die häufigsten Infektionen, die zu einer Anerkennung als Berufskrankheit führen, und sind der häufigste Grund für eine neu bewilligte Rente.

Die versicherungsrechtliche Bewertung von potenziell am Arbeitsplatz erworbenen Infektionen ist häufig schwierig.

Rückblickend ist die Infektionsquelle oft nicht zu ermitteln, insbesondere bei zunächst klinisch stumm verlaufenden Erkrankungen [22]. Zudem kommen bei vielen Infektionskrankheiten verschiedene Infektionsquellen in Betracht, ohne dass sich feststellen lässt, bei welcher Gelegenheit es tatsächlich zu der Infektion gekommen ist [22]. Darüber hinaus ist die Abgrenzung zwischen der beruflichen und außerberuflichen Ursache für eine Infektionskrankheit oft schwierig [10]. Diesem Umstand trägt die BK 3101 in der Weise Rechnung, dass als Einwirkung ausreichend ist, dass der Erkrankte einer der versicherten Tätigkeit innewohnenden Infektionsgefahr besonders ausgesetzt war. Die besonders hohe Infektionsgefahr ersetzt – als eigenständiges Tatbestandsmerkmal – den individuellen Nachweis der Einwirkung [22].

Die Daten zu berufsbedingten Infektionskrankheiten wurden auf Basis des gesamten Datenbestandes der DGUV bislang lediglich für das Berichtsjahr 2005 ausgewertet [11]. Mit unserer Auswertung konnte das BK-Geschehen bei der BK 3101 auf Basis des Datensatzes der BGW für 66 % aller aus dem Gesundheitsdienst gemeldeten Anzeigen auf Verdacht einer BK 3101 dargestellt werden [6]. Wir gehen daher davon aus, dass die hier beschriebenen Trends auch für den gesamten Gesundheitsdienst gelten.

Im Jahr 2014 wurden bei der BGW 904 Verdachtsanzeigen auf eine BK 3101 registriert, in 496 Fällen wurde der BK-Verdacht bestätigt. In 34 Fällen hat der UV-Träger nachhaltige Gesundheitsschäden durch die Infektionskrankheit festgestellt und eine neue BK-Rente bewilligt. Die Entschädigungsleistungen, die von der BGW für Versicherte im Zusammenhang mit einer Anzeige auf eine BK 3101 aufgewendet wurden, beliefen sich 2014 auf knapp 27 Mio. €. Davon wurden rund 60 % für Renten und Beihilfen aufgewendet, 40 % für medizinische Heilbehandlung (wie Arzneimittel, stationäre und ambulante Behandlung) und 0,1 % für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Auch wenn durch die Infektionskrankheit nur bei wenigen BK-Fällen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit auftritt, fallen dadurch insgesamt hohe Kosten an.

Die Fallzahlen zu Hepatitis B fügen sich in den rückläufigen Trend ein, der sich seit 1984 zeigt [8, 13, 16]. Der kontinuierliche Rückgang bei Hepatitis B ist wahrscheinlich auf die hohe Impfquote bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst zurückzuführen. Auch bei Hepatitis C gibt es bei den gemeldeten und anerkannten Fällen seit einigen Jahren einen stetigen Rückgang (seit 2001 um über 70 %; [16]). Bei Hepatitis C war es Mitte der 1990er-Jahre zu einer starken Zunahme der Verdachtsmeldungen gekommen, bei denen es sich jedoch wahrscheinlich in vielen Fällen um Altfälle handelte, die als Folge vermehrter Untersuchungen seit Mitte der 1990er-Jahre in Deutschland entdeckt wurden. Die Hepatitis D hat seit einigen Jahren verstärkte Aufmerksamkeit erfahren, da es infolge viraler Interaktionen zu schweren chronischen Verläufen der Hepatitis B kommen kann. In Deutschland haben die Fallmeldungen an das Robert Koch-Institut seit Beginn der Erfassung im Jahr 2001 leicht zugenommen [19]. Bei der BGW gab es in den vergangenen 5 Jahren lediglich einen Verdachtsfall, der nicht als BK bestätigt wurde.

Die Häufigkeit beruflich bedingter Influenzainfektionen ebenso wie luftübertragbarer Kinderkrankheiten wird durch den Datensatz der BGW vermutlich nicht vollständig abgebildet, weil diese Erkrankungen von den behandelnden Ärzten oft nicht als beruflich bedingt angesehen und daher dem UV-Träger nicht gemeldet werden. Das Risiko für eine Influenzainfektion scheint unter gesunden Beschäftigten im Gesundheitsdienst im Vergleich zu Beschäftigten in anderen Branchen erhöht zu sein [15]. Andererseits zeigte sich bei einer in Deutschland durchgeführten Untersuchung, dass es bei der Inzidenz von symptomatischen Influenzainfektionen – zumindest in einem Jahr mit geringer Influenzaaktivität – keinen Unterschied gab [28]. Ob die Inzidenz beruflich bedingter Influenzainfektionen bei einer hohen Influenzaaktivität in der Bevölkerung ansteigt, ist nicht bekannt.

Die starke Zunahme der gemeldeten LTBI-Fälle in den vergangenen 5 Jahren ist wahrscheinlich auf eine verbesserte Diagnosemöglichkeit zurückzuführen. Mit der Einführung des Interferon-γ-Release-Assays (IGRA) steht seit 2005 ein Test für die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen bei Kontakt zu Tuberkulosepatienten oder infektiösen Materialien zur Verfügung, der nicht von der BCG-Impfung beeinflusst wird und deshalb bei Beschäftigen im Gesundheitsdienst spezifischer ist als der Tuberkulinhauttest [17]. Das Risiko für die Progression zu einer aktiven Tuberkulose nach einem positiven IGRA ist allerdings noch unbekannt. Es scheint bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst geringer zu sein als bei engen Kontaktpersonen, die nach dem Infektionsschutzgesetz untersucht werden (< 1 % vs. 12 %; [7, 25]). Es ist daher fraglich, ob alle Beschäftigten im Gesundheitsdienst, die ein positives IGRA-Ergebnis aufweisen, eine präventive Chemotherapie erhalten sollten. Die Meldung einer LTBI als BK ist aber immer dann besonders sinnvoll, wenn eine präventive Chemotherapie geplant ist, da die Kosten dafür eventuell von dem zuständigen UV-Träger übernommen werden.

Die starken Schwankungen bei den Meldungen zu Skabies sind darauf zurückzuführen, dass diese in Jahren mit häufigen Ausbrüchen überproportional ansteigen. Krätzmilben sind für eine Vielzahl endemischer Ausbrüche unter den Beschäftigten in der Altenpflege verantwortlich [26]. Dies zeigt sich auch anhand der BGW-Daten, wonach die Mehrzahl der Verdachtsanzeigen auf Skabies in den vergangenen Jahren aus der stationären Altenpflege gemeldet wurde (2014 knapp 80 %). Allerdings sind über 90 % der jährlich der BGW gemeldeten Skabies-Verdachtsanzeigen nicht meldepflichtig. Bei diesen sog. Kontaktfällen handelt es sich nicht um erkrankte bzw. mit Skabies befallene Beschäftigte, sondern um Kontaktpersonen, für die eine Mitbehandlung erforderlich ist. Die BGW übernimmt in begründeten Fällen die Kosten für die Diagnose und Behandlung.

Bei MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) wurden in den vergangenen 5 Jahren jährlich weniger als 10 Fälle als Berufskrankheit anerkannt. In der Literatur werden nur wenige beruflich bedingte MRSA-Infektionen beschrieben [1], gleichwohl zeigen die Zahlen der BGW, dass eine MRSA-Infektion schwere Krankheitsverläufe und mitunter berufliche Konsequenzen haben kann [9]. Bei den Meldungen zu MRSA, bei denen der BK-Verdacht nicht bestätigt wird, handelt es sich in den meisten Fällen um eine Besiedlung der Haut oder der Schleimhäute. Besiedlungen mit MRSA werden von der BGW nicht als BK anerkannt, da es sich hierbei nicht um einen „regelwidrigen“ Gesundheitszustand im Sinne des BK-Rechts handelt (§ 9 Abs. 1 SGB VII) und damit die gesetzliche Voraussetzung für eine BK nicht erfüllt ist. Aussagen zu Infektionskrankheiten durch andere multiresistente Erreger (MRE) sind nicht möglich, da für diese keine EDV-technische Erfassung über den sechsstelligen BK-Schlüssel erfolgt.

Die Branche der Krankenhäuser nimmt eine Spitzenposition bei den BK-3101-Fällen ein.

Lange Zeit wurde das Infektionsrisiko in dieser Branche durch die blutübertragbaren Erkrankungen bestimmt, bedingt durch häufige invasive Tätigkeiten [14]. In den vergangenen Jahren wird diese Position zunehmend von der Tuberkulose eingenommen, wobei diese Verschiebungen auch auf Änderungen bei den Anerkennungsvoraussetzungen zurückzuführen sind. Insgesamt unterscheidet sich das Erregerspektrum in den 4 Arbeitsbereichen deutlich. In der stationären Altenpflege spielen die Krätzmilben eine bedeutende Rolle, hingegen in Krankenhäusern, ambulanten Diensten und Arztpraxen die Erreger von Tuberkulose und Hepatitis C.

Limitationen

Die hier vorgelegten Fallzahlen geben nicht das vollständige Bild der beruflichen Infektionskrankheiten in Deutschland wieder, da in der BGW nur die Meldungen aus nichtstaatlichen Einrichtungen erfasst werden. Der Anteil dieser Zahlen an den gesamten Infektionen kann nur geschätzt werden. Aus den von der DGUV für 2013 aufbereiteten Daten lässt sich schließen, dass von den angezeigten BK-3101-Fällen 55,5 % auf die BGW entfallen und von den als BK bestätigten Fällen 64 % [6]. Für den Versorgungsbereich der Krankenhäuser bedeutet dies, dass zu den auf Basis der BGW-Daten ermittelten 217 als BK anerkannten Infektionskrankheiten noch 78 Fälle hinzugerechnet werden müssen. Für die übrigen Versorgungsbereiche sind Hochrechnungen nicht erforderlich, da annähernd 100 % der Betriebe bei der BGW versichert sind.

Es handelt sich bei den hier verwendeten Daten um eine Auswertung von Registerdaten, für die dieselben Einschränkungen wie für alle Sekundärdaten gelten. Erschwerend kommt hinzu, dass trotz der gesetzlichen Verankerung der Meldepflicht und der finanziellen Kompensation von einem Under-Reporting bei den Verdachtsmeldungen auszugehen ist, ohne dass jedoch das Ausmaß beziffert werden kann. Darüber hinaus ist die Entscheidung, ob es sich bei der Infektionskrankheit um eine meldepflichtige Verdachtsanzeige handelt, oft schwierig, weil aus der Verdachtsmeldung nicht immer eindeutig hervorgeht, ob tatsächlich eine Infektion vorliegt. Abschließend ist zu erwähnen, dass die vorliegende Auswertung auf dem elektronisch erfassten Datensatz der BK-DOK basiert. Zusätzliche Angaben z. B. zu klinischen Befunden aus den BK-Akten wurden nicht berücksichtigt.

Fazit für die Praxis

  • Die Auswertung der Infektionskrankheiten auf Basis der BK-DOK-Daten der BGW hat überraschend ergeben, dass die Tuberkulose trotz des stetigen Rückgangs der Inzidenz in der Allgemeinbevölkerung für Beschäftigte im Gesundheitsdienst weiterhin ein großes Risiko darstellt.

  • Für beide Formen der blutübertragbaren Hepatitisinfektionen setzt sich der rückläufige Trend fort.

  • Die wenigen, aber zum Teil schweren Krankheitsverläufe bei Infektionen mit multiresistenten Erregern sprechen dafür, dass dem beruflichen Risiko einer Infektion durch diese mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.

  • Die BK-DOK der gesetzlichen UV-Träger gibt Hinweise auf Trends bei den beruflich bedingten Infektionen. Aufgrund ihrer Limitierungen ist es jedoch sinnvoll, diese Daten durch gezielte weitere Erhebungen, wie sie z. B. im Netzwerk Tuberkulose vorgenommen werden [21], zu ergänzen.