Hintergrund

Augenerkrankungen, die mit einem Sehverlust einhergehen, sind mit erheblichen Einschränkungen der emotionalen, psychischen und sozialen Lebensqualität der Betroffenen verbunden [1]. Von Patienten erlebte Symptome, die wahrgenommene Belastung durch eine Behandlung und schließlich auch die Veränderung der Lebensqualität beeinflussen das Patientenverhalten sowie die Therapieumsetzung. Daher sollten bei der Beurteilung von Erkrankungsfolgen und Behandlungseffekten nicht nur funktionelle oder strukturelle Endpunkte, sondern auch patientenberichtete Endpunkte („patient-reported outcomes“ [PROs]) berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere, wenn mithilfe von klinischen Diagnostikverfahren erfasste Effekte (wie morphologische Veränderungen) nicht mit den Symptomen und der Belastung des Patienten übereinstimmen [2, 3]. PROs erfassen den durch den Patienten erlebten Einfluss einer Erkrankung und deren Behandlung auf den Alltag. Sie sind wichtig, da sie eine Patientenperspektive liefern, die durch klinische Maße nicht erfasst wird, jedoch für den Patienten und seine Therapietreue genauso wichtig wie ein klinisches Maß sein kann. Als Therapietreue wird das Maß bezeichnet, zu welchem sich der Patient an die mit dem Behandler vereinbarten Therapieabsprachen hält. Demgegenüber abzugrenzen ist der Begriff der Persistenz, welcher das Fortsetzen einer Therapie über einen längeren Zeitraum beschreibt [4].

Eine hohe Therapietreue (Adhärenz) und eine dauerhafte Therapieumsetzung (Persistenz) sind essenziell für den Erfolg einer intravitrealen operativen Medikamentengabe (IVOM) mit Vascular-endothelial-growth-factor-Inhibitoren (Anti-VEGF) [5, 6]. Die Anti-VEGF-Therapie zeichnet sich im Praxisalltag durch komplexe Regime mit bis zu monatlichen Kontroll- und Behandlungsterminen aus. Dies resultiert in einer hohen Belastung der Patienten und entsprechend assoziiertem hohem Risiko für fehlende Adhärenz und Persistenz. Insbesondere bei der Therapie von Patienten mit neovaskulärer altersabhängiger Makuladegeneration (nAMD) konnte die mangelnde Therapieumsetzung – sowohl arztseitig im Hinblick auf bekannte Evidenz zur erforderlichen Injektions‑/Kontrollhäufigkeit als auch patientenseitig im Hinblick auf die Einhaltung der Therapieempfehlungen – im klinischen Alltag bereits mehrfach belegt werden [5,6,7,8,9,10]. Dabei konnte eine Assoziation zwischen mangelnder Therapietreue und negativen klinischen Resultaten gezeigt werden [5, 6, 11,12,13]. Es gibt nur wenige, unzureichende Untersuchungen zu den Ursachen mangelnder Therapietreue [8, 9, 13, 14]. Des Weiteren ist unbekannt, in welchem Zusammenhang patientenberichtete Endpunkte wie Lebensqualität oder Therapietreue mit der Adhärenz/Persistenz stehen.

Ein klares Verständnis der Ursachen sowie der Wirkungen von mangelnder Therapietreue ist jedoch essenziell, um Maßnahmen zu ergreifen, die die Versorgungsqualität dauerhaft verbessern können. Vor diesem Hintergrund wurde die ANDROMEDA-Studie („intravitreal Aflibercept in Neovascular amD: an obseRvational study assessing patient relevant OutcoMes, rEal-worlD treatment pattern And effectiveness“) konzipiert. Diese Beobachtungsstudie soll die Therapietreue von Patienten mit nAMD untersuchen und dabei insbesondere mögliche Einflussfaktoren der Adhärenz und Persistenz identifizieren.

Hier werden das Design der ANDROMEDA-Studie und insbesondere die innerhalb der Studie verwendeten Instrumente zur Erfassung der patientenberichteten Endpunkte vorgestellt.

Design der ANDROMEDA-Studie

Es wurde eine prospektive, nicht kontrollierte, nichtinterventionelle multizentrische Beobachtungsstudie zur Untersuchung der Therapietreue von Patienten mit nAMD konzipiert (ClinicalTrials.gov: NCT03714308). Eingeschlossen werden nAMD-Patienten, die eine Behandlung mit Aflibercept (Handelsname Eylea, Bayer AG Leverkusen, Deutschland) erhalten. Der Beobachtungszeitraum beträgt 2 Jahre, unabhängig davon, ob zwischenzeitlich ein Wirkstoffwechsel (wichtig für die korrekte Beurteilung der Persistenz) oder eine Therapieunterbrechung erfolgt.

Es ist geplant, deutschlandweit etwa 1000 nAMD-Patienten in ca. 120 Augenkliniken und ophthalmologischen Facharztpraxen (im Folgenden: Studienzentren) einzuschließen. Da die Studie einen primär explorativen und keinen konfirmatorischen Charakter hat, ist keine Stichprobenkalkulation auf Basis einer Hypothesentestung erfolgt. Es wurde jedoch gezeigt, dass mit einer Stichprobengröße von 1000 Patienten eine ausreichend präzise Beurteilung der Adhärenz und etwaiger Einflussfaktoren vorgenommen werden kann.

Die Studie ist Ende Januar 2019 gestartet, aktuell läuft die Zentren- und Patientenrekrutierung (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Zeitplan der ANDROMEDA-Studiea. aFPFV First Patient First Visit, LPFV Last Patient First Visit, LPLV Last Patient Last Visit, DB-clean Datenbankbereinigung

Innerhalb des 24-monatigen Beobachtungszeitraums werden klinische und therapiebezogene Daten durch die Studienzentren fortlaufend erhoben. Dabei sind keine studienspezifischen Dokumentationsvisiten vorgegeben. Vielmehr wird die Datenerhebung gemäß der patientenindividuellen Terminplanung bzw. -wahrnehmung durchgeführt und erfolgt unter Verwendung von studienspezifischen Patientenidentifikationsnummern auf Basis eines Online-Dokumentationstools, welches sämtliche datenschutzrechtliche Anforderungen erfüllt. Die Tab. 1 gibt einen Überblick über die auf Basis der ärztlichen Dokumentationen erhobenen Daten.

Tab. 1 Übersicht der durch Studienzentren zu dokumentierenden Datena

Ein besonderer Fokus der Studie liegt auf der Erfassung von patientenberichteten Endpunkten, sodass zusätzlich zur ärztlichen Dokumentation Telefoninterviews mit den Patienten zum Studienstart sowie nach 4, 12 und 24 Monaten erfolgen. Die in den Telefoninterviews erhobenen Daten lassen sich den folgenden Themen zuordnen:

  • allgemeine gesundheitsbezogene Lebensqualität („Health-related Quality of Life“ [HrQoL]),

  • visusbezogene HrQoL,

  • Behandlungszufriedenheit,

  • mögliche Ursachen für mangelnde Therapietreue sowie patientenseitige Wahrnehmung der Behandlungsumstände/des Behandlungsumfeldes.

Die Abb. 2 zeigt zur Veranschaulichung die Erhebungszeitpunkte auf einem exemplarischen Zeitstrahl.

Abb. 2
figure 2

Erhebungszeitpunkte innerhalb der ANDROMEDA-Studiea. aVisiten bilden die klinische Routine ab und können daher Injektionstermine, Post-OP-Kontrollen und Kontrolluntersuchungen beinhalten. NEI VFQ-25 National Eye Institute Visual Functioning questionnaire, LAF-IVT Longitudinal assessment of Adherence Factors to Intravitreal (anti-VEGF) Therapy, EQ-5D-5L 5-level EuroQol 5-Dimension, MacTSQ Macular Disease Treatment Satisfaction Questionnaire

Die Patienten werden durch geschulte, neutrale Interviewer auf Basis eines vorstrukturierten Fragebogens befragt. Um die Befragung möglichst patientenfreundlich zu gestalten und den Aufwand zu minimieren, werden die Interviews telefonisch zu einem vorab individuell festgelegten Zeitpunkt durchgeführt. Die Befragungsdaten werden ebenfalls in einem Online-Dokumentationstools erfasst, sodass später pro Patient sowohl die ärztlich erhobenen als auch die patientenberichteten Endpunkte in einer Datenbank verfügbar sind.

Vor Studienteilnahme wird von jedem Patienten eine schriftliche Einwilligungserklärung zur Teilnahme eingeholt.

Primäres Studienziel: „Nicht-Therapietreue und deren Ursachen“

Zentrales Studienziel ist es, das Ausmaß fehlender Therapietreue (Nicht-Adhärenz) bei der Anti-VEGF-Therapie von nAMD-Patienten sowie deren Ursachen festzustellen. Die Definition von Nicht-Adhärenz ist bei der Anti-VEGF-Therapie deutlich herausfordernder als in den meisten anderen chronischen Indikationen, in welchen z. B. täglich Tabletten mit einer festen Dosierung eingenommen werden und eine ärztliche Kontrolle zur Überwachung der Therapie zwar regelmäßig, aber weniger restriktiv erfolgt. In diesen Indikationen können Maße zur Ableitung der mit der Medikation gedeckten Tage herangezogen werden oder auch verfügbare PRO-Instrumente zur Adhärenzmessung genutzt werden [15]. Für die Anti-VEGF-Therapie stehen solche Methoden bislang nicht zur Verfügung [12]. Dies liegt zum einen darin begründet, dass die Applikation von Anti-VEGF nur durch einen qualifizierten Arzt erfolgt. Zudem werden unterschiedliche Therapieregime/Kontrollschemata angewandt, sodass die Therapiedurchführung uneinheitlich erfolgt. Daher lässt sich Therapietreue nur (1) im Kontext eines angewendeten Therapieschemas und (2) über Kontrolluntersuchungen und Injektionen quantifizieren.

In der ANDROMEDA-Studie wird von Nicht-Adhärenz ausgegangen, sobald eine relevante Abweichung von der zugelassenen Anwendung von Aflibercept (gemäß Fachinformation) beobachtet wird (Supplemental Material 1).

Die Identifizierung der Einflussfaktoren für mangelnde Therapietreue wird in der Studie sowohl auf schrittweisen Selektionsmodellen als auch auf univariaten Regressionsanalysen beruhen. Mit diesen Modellen werden alle möglichen erhobenen Einflussfaktoren wie beispielsweise Patienten- und Zentrencharakteristika sowie Angaben zur Therapie als potenzielle Ursachen für fehlende Therapietreue überprüft. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf den in den Patientenbefragungen erhobenen Daten, um die Patientensicht auf Erkrankung und Therapie sowie ihren Einfluss auf die Therapietreue bewerten zu können. Im Rahmen der Patientenbefragungen wird – neben allgemeinen Fragen zu Einstellungen, Wahrnehmungen, Erwartungen sowie zur Aufgeklärtheit des Patienten – auch direkt erfragt, welche Gründe für etwaige Terminversäumnisse existierten.

Sekundäres Studienziel: Zusammenhang zwischen Wirksamkeit, Adhärenz und PROs

Neben der Untersuchung des Ausmaßes von Nicht-Adhärenz und deren Ursachen ist es Ziel dieser Studie, die Wirksamkeit der Behandlung zu beschreiben und den Zusammenhang zwischen der Behandlungseffektivität, dem Ausmaß der Adhärenz sowie PROs zu analysieren. Die PRO-Instrumente zur Messung der allgemeinen und visusbezogenen Lebensqualität, der Therapiezufriedenheit sowie zur Beantwortung weiterer Fragestellungen im Kontext der Ursachenforschung von Nicht-Adhärenz werden im Rahmen der Patienteninterviews eingesetzt.

Im Rahmen der Studie erhobene PROs

Allgemeine und visusbezogene Lebensqualität

Die allgemeine und visusbezogene HrQoL der eingeschlossenen Patienten wird in allen 4 Telefoninterviews erfasst. Zur Messung der HrQoL von Patienten mit nAMD stehen spezifische, in dieser Indikation validierte Instrumente zur Verfügung. Die bekanntesten Instrumente sind der „Daily Living Tasks Dependent on Vision questionnaire“ (DLTV), die „Activities of Daily Vision Scale“ (ADVS), der „Visual Function Index“ (VF-14) und der „National Eye Institute Visual Functioning questionnaire“ (NEI VFQ-25). Der NEI VFQ-25 wurde seit seiner Entwicklung in zahlreichen Studien eingesetzt und konnte in verschiedensten ophthalmologischen Indikationen adäquate Gütekriterien aufzeigen [16, 17]. Die Messung der visusbezogenen Lebensqualität auf Basis des NEI VFQ-25 erfolgt multidimensional mit insgesamt 12 Subskalen, welche u. a. Limitationen bezüglich des „allgemeinen Sehvermögens“, der „Nahsicht“, der „Fernsicht“, des „Fahrvermögens“, des „peripheren Sehvermögens“ und der „Augenschmerzen“ unterscheiden. Vor allem die häufige Anwendung in der Praxis und damit belegte Praktikabilität führte zu der Entscheidung, den NEI VFQ-25 auch in der ANDROMEDA-Studie zu nutzen. Spätere Vergleiche der Ergebnisse dieser Studie mit Ergebnissen klinischer Studien sind damit ebenso möglich.

Es wurde bewusst ein visusbezogenes HrQoL-Instrument gewählt, da generische Instrumente weitaus weniger in der Lage sind, Sehschärfe-/nAMD-bezogene Effekte zu identifizieren und deutlich geringer mit der Krankheitsschwere/-progression korrelieren [18]. Allerdings ist ein Vergleich der Lebensqualität von Patienten über Indikationsgrenzen hinweg auf Basis indikationsspezifischer Instrumente nicht möglich. Hier kann der Einsatz generischer Lebensqualitätsfragebögen, welche die HrQoL im Allgemeinen bewerten, aber weitaus weniger auf Änderungen des ophthalmologischen Erkrankungsstatus reagieren, geboten sein. Im Bereich der nAMD wurden in der Vergangenheit v. a. der „EuroQol 5‑Dimension“ (EQ-5D), der „Health Utilities Index Mark 3“ (HUI-3) sowie der „Short-Form 6 Dimensions“ (SF-6D) verwendet [19]. Die Eignung dieser Instrumente bei Patienten mit Augenerkrankungen/Sehstörungen wird kontrovers diskutiert [18]. Um den Einfluss des allgemeinen Gesundheitszustandes auf die Therapietreue besser bewerten zu können, aber auch um die Ergebnisse in den Gesamtkontext einer gesundheitspolitischen Diskussion einordnen zu können, wurde entschieden, den EQ-5D-5L-Fragebogen in die Studie einzubeziehen. Der EQ-5D-5L ist ein validiertes und etabliertes generisches Instrument [19], welches die 5 Dimensionen „Mobilität“, „Selbstversorgung“, „Allgemeine Tätigkeiten“, „Schmerz/Körperliche Beschwerden“ und „Angst/Niedergeschlagenheit“ betrachtet. Die 5‑Level-Version des EQ-5D berücksichtigt dabei 5 Antwortmöglichkeiten pro Dimension (Level 1 „Keine Probleme“, Level 2 „Leichte Probleme“, Level 3 „Mäßige Probleme“, Level 4 „Große Probleme“ und Level 5 „Extreme Probleme“) [20]. Ergänzend werden die Patienten gebeten, ihren aktuellen Gesundheitszustand auf einer Analogskala von 0 (schlechteste Gesundheit) bis 100 (beste Gesundheit) zu bewerten.

Behandlungszufriedenheit

„Behandlungszufriedenheit“ ist ein Konstrukt, das mit der Lebensqualität von Patienten korreliert, aber in bestimmten Dimensionen weitaus spezifischer erfasst, welchen Einfluss eine Therapie auf die Einstellungen und Meinungen von Patienten hat. Dies schließt Therapieerfolge und -misserfolge, etwaige Nebenwirkungen, aber auch Belastungen im Kontext der Therapiedurchführung (inklusive Vor- und Nachuntersuchungen) ein.

Mangelnde Therapiezufriedenheit kann dabei ein wesentlicher Grund für mangelnde Adhärenz/Persistenz eines Patienten sein [21]. In bisherigen nAMD-Studien wurden primär die mit der Injektionstherapie verbundenen Ängste und Schmerzen von Patienten adressiert [22]. Wenige Studien befassten sich auch mit anderen Aspekten der Therapieerfahrung, welche jedoch ausschließlich mit qualitativen Fragen statt eines standardisierten und validierten Erhebungsinstruments abgefragt wurden [23, 24]. Erst durch die Entwicklung des „Macular Disease Treatment Satisfaction Questionnaire (MacTSQ)“ steht ein spezifisches PRO-Instrument, welches die Therapiezufriedenheit von nAMD-Patienten misst, zur Verfügung. Der MacTSQ wurde auf Basis des weit verbreiteten „Diabetes Treatment Satisfaction Questionnaire“ entwickelt und im Rahmen der IVAN-Studie validiert [25]. Seither wurde der MacTSQ bereits in verschiedenen Beobachtungsstudien angewendet [26, 27] und wird auch in der ANDROMEDA-Studie eingesetzt, um mögliche Änderungen der Therapiezufriedenheit im Zeitverlauf zu erfassen.

Die Tab. 2 fasst die innerhalb der Patienteninterviews eingesetzten Fragebogeninstrumente überblicksartig zusammen.

Tab. 2 Übersicht der im Rahmen der Patienteninterviews eingesetzten Instrumente

Patientenberichtete Ursachen für Nicht-Adhärenz in der IVOM‑Therapie

Durch die Erfassung der visusbezogenen und allgemeinen Lebensqualität der Patienten sowie die Messung von Behandlungszufriedenheit können erste wichtige Faktoren zur Erklärung einer etwaigen Nicht-Adhärenz/Nicht-Persistenz adressiert werden. Weitere patientenseitige Faktoren außerhalb dieser Konstrukte, welche die Therapietreue in der Anti-VEGF-Therapie beeinflussen, wurden in den letzten Jahren zwar wiederholt in Ansätzen untersucht und diskutiert [7, 8, 23], bislang allerdings nicht in einem anerkannten standardisierten Instrument zusammengefasst. Deshalb wurde im Rahmen der Studienkonzeption ein spezifischer Patientenfragebogen entwickelt („Patient Questionnaire for Longitudinal Assessment of Adherence Factors to Intravitreal [anti-VEGF] Therapy“ [LAF-IVT]) und vor Anwendung in der quantitativen Befragung zunächst einer kognitiven Überprüfung unterzogen.

LAF-IVT

Fragebogenkonzept

Der LAF-IVT wurde auf Basis bisheriger Evidenz zu den Ursachen mangelnder Therapieumsetzung in der IVOM-Behandlung konzipiert. Dazu wurde ein „Targeted Literature Review“ durchgeführt, welcher deutsch- und englischsprachige, in der Datenbank EMBASE gelistete Publikationen im Zeitraum von 01/2007 bis 03/2018 berücksichtigte, die auf Basis definierter Suchbegriffe (Supplemental Material 2) gefunden wurden.

Weiterhin wurden Erkenntnisse aus einer vorangegangenen Studie zur Adhärenz und Patientenpräferenz in der Anti-VEGF-Therapie (PONS-Studie) herangezogen [23]. Ein initialer Entwurf des Fragenbogens wurde in einem Expertenpanel, bestehend aus Ophthalmologen mit praktischer Erfahrung in der Anti-VEGF-Therapie, Naturwissenschaftlern sowie Versorgungsforschern, detailliert diskutiert und gemeinsam überarbeitet. Der Fragebogen wurde in 3 unterschiedliche Bestandteile gegliedert, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach Therapiestart/zu Studienstart anzuwenden sind (Tab. 3). Dies soll ermöglichen, auf Faktoren, welche sich im Therapieverlauf verändern oder erst im Verlauf der Therapie entstehen, einzugehen.

Tab. 3 Überblick Fragen‑/Themenbereiche des LAF-IVT

Der erste Fragebogenteil soll zu Beginn der Beobachtung eingesetzt werden und umfasst insgesamt 11 Fragen, welche zunächst auf mögliche Komorbiditäten des Patienten und auf generelle/organisatorische Aspekte im Vorfeld der Behandlung (Terminplanung, Information zur Erkrankung/Behandlung, Kommunikation zwischen Patient und Arzt) sowie auf die Hilfebedürftigkeit und die Therapieerwartung des Patienten eingehen.

Der zweite Abschnitt des Fragebogens (zur Verwendung nach etwa 4‑monatiger Therapiedauer) umfasst ebenfalls 11 Fragen und adressiert die patientenberichtete Adhärenz/Persistenz. Im Falle von berichteter Nicht-Adhärenz/-Persistenz werden die Gründe erfragt. Ebenfalls werden potenzielle Hürden bei der Therapiewahrnehmung erfasst (z. B. Anreise zur injizierenden Klinik/Praxis, Erfordernis von Begleitung).

Der letzte Fragebogenteil (nach mindestens 12-monatiger Therapieerfahrung) umfasst 10 Fragen, welche im Follow-up erneut die patientenseitige Adhärenz/Persistenz, die Regelmäßigkeit von Injektionen sowie die Kommunikation zwischen Patient und Arzt thematisieren.

Methodik der kognitiven Validierung

Es entspricht den Prinzipien der PRO-Forschung, einen neuen Fragebogen qualitativ-kognitiv im Rahmen von Vortests zu validieren [28]. Dies ist ein wesentlicher Aspekt zur Sicherung der Kontentvalidität (auch Inhaltsvalidität), welche beurteilt, inwiefern ein entwickeltes Instrument das beabsichtigte Konzept tatsächlich misst. Die Kontentvalidität muss gegeben sein, bevor weitere Validitäts- oder Reliabilitätsmaße auf Basis von quantitativen Daten evaluiert werden können. In den qualitativ-kognitiven Tests soll primär das Antwortverhalten der Befragten untersucht und sichergestellt werden, dass die ursprüngliche Intention einer Frage sowohl durch deren Formulierung als auch durch deren Antwortskala widergespiegelt wird. Die kognitive Validierung des LAF-IVT wurde auf Basis von Interviews mit 6 nAMD-Patienten, die zum Zeitpunkt der Interviews eine Anti-VEGF-Therapie erhielten, durchgeführt. Die Patienten wurden in 2 Studienzentren (1 Universitätsaugenklinik und 1 Praxis) rekrutiert. Die kognitiven Interviews wurden mit den Patienten separat und persönlich sowie durch „neutrale“ Interviewer (kein Praxispersonal) geführt, um ein Umfeld zu schaffen, welches es den Patienten erleichtert, offen zu antworten und mit dem Interviewer frei zu diskutieren [28]. Ein geschulter Interviewer erklärte jedem Patienten vorab die Ziele der Diskussion. Der Interviewer führte anschließend durch den LAF-IVT und verwendete auf Basis eines Interview-Leitfadens kognitive Techniken, die jede Frage und die dazugehörige Antwortmöglichkeit im Hinblick auf das Verständnis des Patienten bewerteten. Grundsätzlich wurde während des gesamten Interviews die Think-aloud-Methode (Technik des lauten Denkens) angewandt [29, 30]; zu Beginn des Interviews wurde jeder Patient gebeten, sämtliche Gedanken laut und ungefiltert zu äußern. Während des Interviews wurde der Befragte immer wieder daran erinnert, seine Gedanken laut auszusprechen. Zusätzlich bat der Interviewer die Patienten, jede Frage, die gestellt wurde, vor der Beantwortung mit eigenen Worten zu wiederholen (Paraphrasieren [29]). Abschließend wurden bei einigen Fragen die folgenden Nachfragetechniken („comprehensive probing“) angewendet [31, 32]:

  • Nachfragen zum Verständnis (Beispiel: „Was verstehen Sie unter chronischen Erkrankungen?“)

  • Nachfragen zur Antwortauswahl (Beispiel: „Warum haben Sie ‚unzufrieden‘ gewählt?“)

  • Nachfragen bezüglich des Vorhandenseins benötigter Informationen/Erinnerungen (Beispiel: „Wie haben Sie sich an diesen Zeitraum erinnert?“)

  • Nachfragen zur Sicherheit/Genauigkeit von Antworten (Beispiel: „Wie sicher sind Sie sich bei Ihrer Angabe der Anzahl der vereinbarten Injektionstermine?“).

Während der Interviews wurden Besonderheiten in den Äußerungen bei der Entscheidungsfindung der Patienten sowie andere Auffälligkeiten oder Verständnis‑/Interpretationsprobleme durch einen zweiten geschulten, dem Patientengespräch beiwohnenden Interviewer dokumentiert.

Ergebnisse der kognitiven Validierung

Die 6 interviewten Patienten waren im Schnitt 82 Jahre alt (Range: 76 bis 91 Jahre) und zum Großteil weiblich (5 von 6 Patienten). Drei der 6 interviewten Patienten litten beidseitig an nAMD und wurden bereits seit mehr als 2 Jahren mit IVOM behandelt. Der Zeitpunkt der letzten IVOM, welche die Patienten erhalten hatten, reichte von 1 Tag bis zu 5 Monaten zurück.

Insgesamt wurden 29 unterschiedliche Fragen/Unterfragen des LAF-IVT im Rahmen der kognitiven Interviews getestet. Bei insgesamt 24 % der Fragen zeigte keiner der Patienten Anzeichen eines Verständnisproblems. Bei den restlichen Fragen zeigte zumindest ein Patient ein Problem im Hinblick auf das Verständnis, die Interpretation der Frage oder Antwortmöglichkeiten, das Abrufen von Erinnerungen, die Antwortzuordnung oder das Auslösen von negativen Emotionen. Die wenigsten Fragen (14 %) wurden von mehr als 2 Patienten missverstanden (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Anteil der Fragen, bei welchen Patienten Verständnisprobleme innerhalb der kognitiven Validierung aufzeigten

Am häufigsten wurden Verständnisprobleme und/oder Missinterpretationen der Fragen aufgedeckt, gefolgt von Missinterpretationen von Antwortmöglichkeiten und/oder Antwortzuordnungsschwierigkeiten. Vordergründig kam es dabei zu Verständnisproblemen bei den Begrifflichkeiten „chronische Erkrankung“, „Injektion“, „Diagnose“ oder „Stabilisierung“. Missinterpretationen wurden v. a. bei den Formulierungen „Kontrollen“ (Post-Operation vs. Verlaufskontrollen), „Behandelnder Arzt“ (Injekteur vs. Zuweiser) und „Zufriedenheit mit Information“ (Projektion auf Zufriedenheit mit Praxis/Arzt) identifiziert. Nur bei 2 Fragen kam es zur Auslösung/Assoziation negativer Emotionen bei jeweils 1 Patienten (in Bezug auf Hilfebedürftigkeit und Dauerhaftigkeit der Therapie).

Sämtliche Fragen wurden auf Basis der Ergebnisse der kognitiven Interviews überarbeitet und erneut durch klinische Experten geprüft. Zusätzlich wurden konkrete Hinweise für die Interviewer in den Fragebogen integriert, um etwaige Missverständnisse hinsichtlich der Fragestellung zu vermeiden sowie die korrekte Antwortzuordnung zu unterstützen. Der finalisierte Fragebogen (Supplemental Material 3) wird wie geplant in der ANDROMEDA-Studie eingesetzt und konnte bereits in den ersten Telefoninterviews erfolgreich angewandt werden. In dieser Pilotphase waren die Patienten problemlos in der Lage, die Fragen des gesamten Baseline-Interviews vollständig zu beantworten.

Diskussion

Bisherige Real-World-Studien in Deutschland zur Anti-VEGF-Therapie in der Indikation nAMD wie AURA [33], PONS [12], WAVE [34], OCEAN [35] oder PERSEUS [5] konnten die Therapie in der klinischen Praxis bereits beschreiben. Jedoch flossen v. a. in Deutschland bislang nur selten auch patientenberichtete Endpunkte in die Bewertung des Therapieerfolges ein. Die ANDROMEDA-Studie wird wesentliche PROs zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach Studienstart erfassen und damit einen Erkenntnisgewinn zu patientenrelevanten Effekten in der klinischen Praxis generieren. Ursachen für die in vergangenen Untersuchungen bereits aufgezeigten Versorgungsdefizite und die allgemein geringere Injektionshäufigkeit in der klinischen Routine im Vergleich zu klinischen Studien konnten bislang nur unzureichend identifiziert werden. Um sich einer umfassenden Erhebung der möglichen Therapiehürden zu nähern, wurde der LAF-IVT entwickelt, dessen grundsätzliche Anwendbarkeit in einer kognitiven Überprüfung gezeigt werden konnte. Die Praktikabilität und Aussagekraft des Fragebogens werden innerhalb der ANDROMEDA-Studie erprobt.

Das hier beschriebene Studiendesign unterliegt den bekannten Verzerrungsgefahren von Beobachtungsstudien. Insbesondere kann ein Selektionsbias – sowohl im Hinblick auf teilnehmende Zentren als auch auf Patienten – nicht ausgeschlossen werden. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass die beobachteten Patienten aufgrund der wiederholten Telefoninterviews ein anderes Adhärenzverhalten aufweisen als Nichtstudienteilnehmer. Beide Verzerrungsmöglichkeiten sind vermutlich mit dem Risiko verbunden, eine höhere Therapietreue zu beobachten als in der „unbeeinflussten“ klinischen Routine. Somit kann die Adhärenzrate, welche innerhalb der geplanten Studie ermittelt wird, als unterer Grenzwert der tatsächlichen Adhärenzrate interpretiert werden. Ungeachtet eines möglichen Selektions- oder Beobachtungsbias ist es für die Untersuchung der Studienziele von enormer Bedeutung, dass die Datenerhebung präzise und vollständig erfolgt. Dies soll durch ein konstantes Datenerhebungsmonitoring und den Einsatz von geschultem Personal (insbesondere erfahrene Interviewer) sichergestellt werden.

In jedem Fall wird die ANDROMEDA-Studie die genannten Informationslücken verringern und wertvolle Erkenntnisse zu patientenberichteten Endpunkten liefern. Das bessere Verständnis der Sichtweisen und Empfindungen von Patienten mit nAMD wird dazu beizutragen, konkrete Ansatzpunkte zur Optimierung der Anti-VEGF-Therapie in der Routineanwendung ableiten zu können.

Fazit für die Praxis

  • In bisherigen Real-World-Studien in der Indikation neovaskulärer altersabhängiger Makuladegeneration (nAMD) wurde die Anti-VEGF(Vascular Endothelial Growth Factor)-Therapie in der klinischen Praxis in Deutschland beschrieben, jedoch flossen bislang nur selten patientenberichtete Endpunkte in die Bewertung des Therapieerfolges ein. Dies ist jedoch wichtig, da die von Patienten erlebten Symptome, die wahrgenommene Belastung durch eine Behandlung und schließlich auch die Veränderung der Lebensqualität die Therapieadhärenz und -persistenz beeinflussen können.

  • Zur Identifizierung von Einflussfaktoren auf Adhärenz und Persistenz wurde ein Fragebogen entwickelt und kognitiv validiert. Dieser wird zusammen mit weiteren Instrumenten im Rahmen der ANDROMEDA-Studie genutzt, um wesentliche „patient-reported outcomes“ (PROs) zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach Studienstart zu erfassen.

  • Der so erzeugte Erkenntnisgewinn zu patientenrelevanten Effekten in der klinischen Praxis kann zukünftig dabei helfen, die Versorgung der Patienten zu optimieren.