Bei immunologischen Erkrankungen des zentralen Nervensystems dachten Neurologen lange Zeit fast ausschließlich an demyelinisierende Erkrankungen, hauptsächlich an die Multiple Sklerose. Eine wichtige Präzisierung innerhalb dieser Gruppe ist der Entdeckung der Aquaporin-4-Antikörper zu verdanken: Die Neuromyelitis optica und verwandte Erkrankungen wurden damit durch einen Biomarker von der Multiplen Sklerose abgrenzbar. Hiermit wird eine passende Behandlung, die angesichts der pathophysiologischen Relevanz dieses Autoantikörpers, der vornehmlich in den humoralen Arm der Immunantwort eingreift, frühzeitig möglich (Beitrag Wildemann und Kollegen).

In den letzten Jahrzehnten wurde immer deutlicher:

Es gibt auch entzündliche Erkrankungen der grauen Substanz.

Diese manifestieren sich durch epileptische Anfälle, Myoklonien, kognitive Störungen oder „psychiatrische“ Symptome. Syndromal handelt es sich um limbische Enzephalitiden, Enzephalopathien, immunvermittelte Epilepsien (Beitrag Kramme/Bien), Psychosen oder das Stiff-Man-Syndrom (Beitrag Meinck). Diese Erkrankungen werden immer sicherer diagnostizierbar, seit Autoantikörper im Serum und Liquor betroffener Patienten nachweisbar wurden. Seit den 1980er und 1990er Jahren kennen wir die onkoneuralen Antikörper gegen intrazelluläre Antikörper wie Hu, Ma1/2 etc. Sie verweisen als hochsensitive Marker paraneoplastischer Syndrome auf eine oft noch okkulte extrazerebrale Neoplasie (Beitrag Stich/Rauer). Noch häufiger sind jedoch die in den letzten 10 Jahren entdeckten Antikörper gegen Oberflächenantigene wie den NMDA-Rezeptor oder Elemente des Kaliumkanalkomplexes. Stöcker et al. berichten im vorliegenden Heft über einen 3-mal so häufigen Nachweis von Antikörpern mit Spezifität für membranständige Antigene im Vergleich zu Antikörpern, die ein gegen intrazelluläre Antigene gerichtetes Bindungsprofil aufweisen. Bemerkenswerterweise sprechen viele Patienten mit Antikörpern gegen Oberflächenantigene auf eine Immuntherapie an (Beitrag Borisow und Kollegen), z. T. mit deutlicher Besserung oder sogar Normalisierung der neurologischen Symptome, was eine pathophysiologische Bedeutung dieser distinkten Autoantikörpersubgruppe nahelegt. Tatsächlich deuten neuere Beobachtungen an, dass die Antikörper selbst über verschiedene Mechanismen zu den Krankheitsprozessen beitragen (Beitrag Bien/Bauer).

Die Diagnostik der antineuralen Antikörper ist einfacher geworden und erfolgt mehrstufig mittels konventioneller Methoden (Immunhistochemie, Immunblot) und durch Einsatz rekombinanter Zellsubstrate, die in einem einzigen Testansatz die Bestimmung der Antikörperspezifität innerhalb des gesamten Spektrums antineuraler Antikörper ermöglichen (Beitrag Stöcker und Kollegen). Die Kenntnis der klinischen Bilder, bei denen sich eine Testung lohnt, verbreitet sich. Viele Kollegen haben bereits erfolgreiche Therapieerfahrungen gemacht. Das Feld der antikörperassoziierten Erkrankungen erweist sich als eine diagnostisch-pathophysiologisch-therapeutische Erfolgsgeschichte der Nervenheilkunde.

Prof. Dr. B. Wildemann

Prof. Dr. C.G. Bien