In Deutschland wird die Anzahl der alkoholabhängigen Personen auf etwa 2 Mio. geschätzt [39]. Davon werden jedoch nicht mehr als 6–8% in das verfügbare, suchtspezifische Versorgungssystem verwiesen [18]. Ein wesentlicher Grund dieser geringen Zuweisungsquote ist darin zu sehen, dass die meisten alkoholabhängigen Patienten nach der Entlassung aus nichtspezialisierten Behandlungen nicht genügend motiviert und damit nicht bereit sind, die dauerhafte Abstinenz als persönliches Therapieziel zu akzeptieren und weitergehende spezialisierte Behandlungsangebote in Anspruch zu nehmen [38, 39]. Da die Alkoholabhängigkeit als eine chronische rezidivierende Erkrankung zu betrachten ist, die nach heutiger Erkenntnis nur selten einer Spontanheilung unterliegt und mit einer geringen primär-intrinsischen Veränderungsmotivation einhergeht, sind motivationsfördernde psychotherapeutische Interventionen ein entscheidendes Behandlungselement [23]. Diese Überlegungen wurden in Deutschland in Form der so genannten „Qualifizierten Entzugbehandlung“ (QE) umgesetzt [24]. Im Rahmen der QE wird die somatische Behandlung von Entzugssymptomen mit psychotherapeutischen und psychosozialen Interventionen kombiniert, um das Wissen der Patienten über Abhängigkeitserkrankungen zu erweitern, um deren Motivation zu einer abstinenten Lebensweise aufzubauen und um ihnen zu helfen, Strategien zur Aufrechterhaltung der Abstinenz im ambulanten Rahmen zu entwickeln [26].

Während die pharmakologische Behandlung des Alkoholentzugssyndroms gut untersucht ist und beispielsweise mit den AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.) -Leitlinien [16] und den Leitlinien der World Federation of Societies of Biologial Psychiatry [35] Empfehlungen für die klinische Praxis vorliegen, sind nach den wenigen Studien, die den Behandlungserfolg der herkömmlichen körperlichen Entgiftung (KE) untersuchen, die Abstinenzraten nach KE gering. So konnten beispielsweise Wieser und Kunad bereits 1965 zeigen, dass nur bei ca. 17% der Patienten eine KE zu einer Besserung der Symptomatik führte [40]. In einer aktuelleren englischen Studie berichteten Shaw und Kollegen eine Abstinenzrate von 12,5% nach 6 Monaten [33]. Demgegenüber werden in Studien zur QE Abstinenzraten zwischen 33% und 48% angegeben [37, 4, 30]. Beispielsweise berichtete Fleischmann eine signifikant längere Dauer bis zur Wiederaufnahme in eine erneute Entgiftungsbehandlung nach Teilnahme an einem Motivationsprogramm im Vergleich zu einem Entzugsprogramm [13]. Mann et al. konnten in einer Langzeitstudie aufzeigen, dass 22% der Patienten 16 Jahre nach der Teilnahme an einer QE durchgehend abstinent gewesen waren [27]. Im Hinblick auf eine Kosten-Nutzen-Evaluation kamen Driessen und Kollegen aufgrund der Analyse von Krankenversicherungsdaten zudem zu der Einschätzung, dass sich bei QE um 50% geringere Behandlungskosten (Indextherapie, Folgekosten, Krankengeld) ergeben als nach KE [11].

Allerdings wurden nicht in allen Untersuchungen positive Effekte durch eine psychologische Intervention nachgewiesen. Foster et al. konnten in England keine zusätzlichen Behandlungseffekte zeigen, wenn man Patienten, die an einer 7-tägigen KE teilgenommen hatten, mit Patienten verglich, die einem zusätzlichen Aufenthalt von 21 Tagen mit QE zugewiesen worden waren [14]. Allerdings Die Ergebnisse dieser Studie sind jedoch durch Baseline-Gruppenunterschiede bezüglich illegalen Drogenkonsums und Erwerbstätigkeit möglicherweise konfundiert. Beide Faktoren sind als wichtige Mediatoren bezüglich des Behandlungserfolgs bekannt.

Obwohl das Hauptziel der QE in einer Motivationsförderung für die Inanspruchnahme weiterführender Behandlungsangebote besteht, haben nur wenige Studien das Inanspruchnahmeverhalten von Maßnahmen nach QE tatsächlich untersucht. So konnten beispielsweise Stetter und Mann zeigen, dass 8 Monate nach QE 46% der Patienten an weiteren suchtspezifischen Behandlungen teilnahmen [36].

Ein direkter Vergleich beider Behandlungsstrategien KE und QE wurde bisher lediglich zweimal in Bezug auf Teilaspekte durchgeführt, wobei die Ergebnisse widersprüchlich waren. John et al. konnten zeigen, dass Patienten 6 Monate nach QE häufiger Selbsthilfegruppen besuchten als Patienten, die lediglich eine individuelle Kurzberatung während einer KE erhalten hatten [19]. Demgegenüber konnten Kahler et al. beim Vergleich einer Empfehlung, die Selbsthilfegruppe der Anonymen Alkoholiker zu besuchen, mit einer umfangreicheren QE zur Steigerung der Teilnahmemotivation an der Selbsthilfegruppe der Anonymen Alkoholiker keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Behandlungsbedingungen nachweisen [20].

FormalPara Untersuchungsziel

Es liegen also trotz der Relevanz dieser Fragestellung kaum Untersuchungen vor, die die Inanspruchnahme weiterführender suchtspezifischer Behandlungsmaßnahmen und das Trinkverhalten nach Teilnahme an der KE mit der Teilnahme nach einer QE vergleichen. Zudem sind die Ergebnisse der wenigen existierenden Untersuchungen widersprüchlich.

In der vorliegenden Untersuchung wurden zwei Stichproben alkoholabhängiger Patienten, die entweder an einer KE oder an einer QE teilnahmen, im Hinblick auf die Inanspruchnahme suchtspezifischer Hilfen sowie auf Unterschiede in der Abstinenzrate 2 Monate nach der Entlassung verglichen. Die Studie wurde nichtrandomisiert in einem naturalistischen Rahmen durchgeführt. Dies ermöglicht Angaben über das typische Inanspruchnahmeklientel der jeweiligen Behandlungsangebote QE und KE, auch wenn mögliche Verzerrungen im Hinblick auf den Behandlungserfolg aufgrund der nichtrandomisierten Zuweisung nicht ausgeschlossen werden können.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Untersuchungsdesign

Es wurde eine Gesamtstichproben mit 117 alkoholabhängigen Patienten untersucht. 56 alkoholabhängige Patienten nahmen an einer herkömmlichen Entgiftungsbehandlung (KE-Stichprobe) auf zwei Stationen für Innere Medizin in einem Allgemeinkrankenhaus teil. Dort wurden 121 Patienten konsekutiv gescreent und 60 Patienten eingeschlossen. Zwei Patienten mussten aufgrund medizinischer Gründe später wieder ausgeschlossen werden und 2 Patienten beendeten die Behandlung vorzeitig. Die übrigen lehnten eine Teilnahme ab.

Diese Daten wurden mit 61 Patienten verglichen, die an einer qualifizierten Entzugsbehandlung (QE-Stichprobe) auf zwei alkoholspezifischen Stationen eines psychiatrischen Krankenhauses teilnahmen. Von 71 möglichen Patienten konnten 64 eingeschlossen werden. 3 Patienten mussten aufgrund medizinischer Gründe später wieder ausgeschlossen werden.

Ausgeschlossen wurden Patienten mit aktuellem Drogenmissbrauch außer Alkohol oder Nikotin, schweren körperlichen oder psychiatrischen Erkrankungen sowie Schwangerschaft, Stillzeit oder Suizidalität. Ausgeschlossen wurden zudem Patienten, die antipsychotische Medikamente einnahmen. Katamnesedaten wurden nach 2 Monaten erhoben

Erfasst wurden in beiden Stichproben die Abstinenzzuversicht bei Entlassung sowie das Trinkverhalten und die Teilnahme an weiterführenden Behandlungsmaßnahmen in den ersten 2 Monaten nach Entlassung.

Es lag ein positives Votum der medizinischen Ethikkommission der Universität vor. Die Deklaration von Helsinki sowie die Kriterien guter klinischer Praxis wurden beachtet.

Patienten

Es wurden die Daten von 117 Patienten (67,5% Männer) mit der Diagnose einer Alkoholabhängigkeit gemäß ICD-10- und DSM-IV-Kriterien analysiert. Das mittlere Alter der Patienten betrug 46,0 (SD=9,1) und die mittlere Dauer der Abhängigkeit betrug 10,5 Jahre (SD=9,5). Die Menge an Alkohol, die in der Woche vor der Aufnahme in die stationäre Behandlung täglich konsumiert wurde, betrug gemittelt für beide Gruppen 204,8 g (SD=246,9).

Untersuchungsrahmen und Behandlung

Patienten der KE-Stichprobe nahmen an einer stationären Entgiftungsbehandlung teil und erhielten eine ärztliche Empfehlung, nach der Entlassung Selbsthilfegruppen zu besuchen, bzw. eine weitere Therapie ihrer Abhängigkeit in Anspruch zu nehmen. Sie wurden über die Behandlungsmöglichkeit mit rückfallprophylaktischen Medikamenten und deren Wirkung im Hinblick auf die Reduktion des Suchtverlangens und die Rückfallhäufigkeit informiert. Die mittlere stationäre Behandlungsdauer betrug 5,8 Tage (SD=1,4).

Patienten der QE-Stichprobe nahmen an einem 3-wöchigen qualifizierten Entzugsbehandlungsprogramm mit einem suchtspezifischen psychotherapeutischen Gruppenangebot teil [26]. Dieses bestand aus Gruppentherapien, um die Einsicht in die Abhängigkeitserkrankung zu fördern, um die Abstinenzmotivation der Patienten zu steigern, um die Bereitschaft, weiterführende Behandlungsangebote wahrzunehmen, zu erhöhen und um den Patienten zu helfen, erste Strategien zur Aufrechterhaltung der Abstinenz zu erwerben. Die Patienten wurden ferner über die Substanz Alkohol und ihre Folgeerkrankungen informiert sowie über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten in der suchtspezifischen Versorgungslandschaft unterrichtet.

Messinstrumente

Neben demographischen Charakteristika wurden mit Hilfe des Time-Line Follow-Back-Interviews substanzbezogene Variablen für den Zeitraum von 90 Tagen vor stationärer Aufnahme erhoben [34]. Vor der Entlassung aus der stationären Behandlung füllten die Patienten die deutsche Version des Situational Confidence Questionnaire aus, um die subjektiv wahrgenommene Zuversicht einzuschätzen, zukünftige risikobehaftete Situationen abstinent bewältigen zu können [3]. Zwei Monate nach der Entlassung wurden die Patienten von ihrem behandelnden Arzt/Psychologen telefonisch kontaktiert, um die Rückfallhäufigkeit (definiert als Konsum jeglicher Menge an Alkohol), die tägliche Trinkmenge an Trinktagen und die Inanspruchnahme weiterführender suchtspezifischer Behandlungsangebote zu erfassen.

Statistische Analyse

Zur Analyse von Ausgangsunterschieden zwischen den beiden Stichproben wurden T-Tests für unabhängige Stichproben (2-seitig) und χ2-Analysen mittels Fisher’s Exact-Test durchgeführt. Unterschiede in den abhängigen Variablen wurden für numerische Daten anhand von t-Tests für unabhängige Stichproben überprüft. Wurde die Varianzhomogenitätsannahme verletzt, wurden angepasste t-Werte und Freiheitsgrade nach Levene’s Test auf Varianzgleichheit verwendet. Zur Analyse kategorialer Daten wurden χ2-Analysen mittels Fisher’s Exact-Test durchgeführt.

Die Zeit bis zum ersten Rückfall wurde mit Kaplan-Meier-Überlebenskurven beschrieben und die Äquivalenz der beiden Stichprobenkurven mittels Log-rank-Test überprüft. Lagen signifikante Ausgangsunterschiede zwischen den beiden Stichproben vor, wurden zusätzlich Kovarianzanalysen mit dem Gruppenfaktor Behandlungsprogramm (KE, QE) und der entsprechenden Ausgangsvariablen als Kovariate durchgeführt. Zudem wurde eine schrittweise Regressionsanalyse durchgeführt, um den Einfluss des Faktors Behandlungsprogramm (KE, QE) im Vergleich zu substanzbezogenen Variablen und einem möglichen Gendereffekt zu überprüfen.

Ergebnisse

Patientencharakteristika

Soziodemographische und substanzbezogene Charakteristika der beiden Stichproben sind in Tab. 1 dargestellt. Es zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungsgruppen bezüglich der Variablen Geschlecht, Dauer der Alkoholabhängigkeit und Anzahl bisheriger stationärer Entgiftungsbehandlungen. Gemäß diesen Ergebnissen begaben sich weibliche Patienten sowie Patienten mit einer kürzeren Abhängigkeitsdauer und einer geringeren Anzahl bisheriger Entgiftungsbehandlungen eher in eine spezialisierte Behandlungseinrichtung und absolvierten eine QE.

Tab. 1 Demographische Eigenschaften und substanzbezogene Charakteristika der Patienten beider Stichproben

Vollständige Katamnesedaten lagen von 100 Patienten vor. 15 Patienten der KE-Stichprobe und zwei Patienten der QE-Stichprobe konnten trotz mehrerer Versuche nicht kontaktiert werden und wurden deshalb in weiteren Analysen entsprechend der internationalen Konvention als rückfällig kodiert (konservative Evaluation). Dieser Unterschied in der Anzahl nicht erreichter Patienten zwischen den beiden Behandlungsbedingungen ist statistisch signifikant (χ2(1)=12,99; p<0,001).

Selbstwirksamkeit vor der Entlassung aus der stationären Behandlung

Die selbstberichtete Zuversicht, zukünftige risikobehaftete Situationen abstinent zu bewältigen, war für Patienten der QE-Stichprobe im Vergleich zu Patienten der KE-Stichprobe signifikant höher (t(68)=−6,08; p<0,001). Dieses signifikante Ergebnis wurde auch bei Berücksichtigung des Geschlechts als weiterem Gruppenfaktor und der Aufnahme der Variablen Dauer der Alkoholabhängigkeit und Anzahl vorausgegangener Entgiftungsbehandlungen als Kovariaten nicht beeinflusst. Der Faktor Behandlungsprogramm (KE, QE) blieb hoch signifikant (F(1)=29,54; p<0,001).

Demgegenüber zeigte sich ein tendenzieller Einfluss des Faktors Anzahl vorausgegangener Entgiftungsbehandlungen (F(1)=3,39; p=0,07). Dies deutet darauf hin, dass Patienten mit einer höheren Anzahl vorausgegangener Entgiftungsbehandlungen unabhängig davon, an welchem Behandlungsprogramm (KE vs. QE) sie teilgenommen haben, eine geringere Zuversicht haben, kritische Situationen in Zukunft abstinent zu bewältigen.

Rückfallraten und Dauer bis zum ersten Rückfall

Bei Klassifikation derjenigen Patienten als rückfällig, die zum Katamnesezeitpunkt nicht erreicht werden konnten (konservative Evaluation), ergab sich für Patienten der KE-Stichprobe eine Rückfallrate von 76,8% im Vergleich zu 44,3% der QE-Stichprobe. Dieser Unterschied war signifikant (χ2(1)=12,85; p<0,001). Auch bei nichtkonservativer Evaluation unter Bezugnahme nur auf die im Katamnesezeitraum erreichten Patienten beider Stichproben (n=100) zeigte sich eine statisch signifikant höhere Rückfallrate nach Teilnahme an KE (68,3%) im Vergleich zu QE (42,4%) (χ2(1)=6,52; p<0,05). Es zeigte sich kein Zusammenhang mit den berichteten soziodemographischen und substanzbezogenen Unterschieden der beiden Stichproben. Frauen und Männer unterschieden sich nicht hinsichtlich der Rückfallhäufigkeit (χ2(1)=0,20, n.s.) und zwischen rückfälligen und abstinenten Patienten zeigte sich kein Unterschied bezüglich der Dauer der Alkoholabhängigkeit (t(97)=−0,97, n.s.) und der Anzahl vorausgegangener Entgiftungsbehandlungen (t(113)=−1,92, n.s.).

In einer schrittweisen Regressionsanalyse mit der Rückfallhäufigkeit (Betrachtung aller 100 im Katamnesezeitraum erreichten Patienten) als abhängiger Variable und Entgiftungsbehandlung (KE, QE), Geschlecht, Dauer der Alkoholabhängigkeit und Anzahl vorausgegangener Entgiftungsbehandlungen als Prädiktoren ergab sich die Teilnahme an QE oder KE als einziger signifikanter Prädiktor der Rückfallhäufigkeit nach Entlassung (R2=0,10; F(1)=10,4; p<0,05). Patienten, die an KE teilgenommen hatten, erlebten häufiger einen Rückfall (β=−0,31; t=−3,23, p<0,05).

Hinsichtlich der Dauer bis zum ersten Rückfall zeigen die Überlebenskurven der beiden Stichproben bei Berücksichtigung aller Patienten, für die vollständige Katamnesedaten vorlagen, dass Patienten der QE-Stichprobe eine signifikant längere Zeit bis zum ersten Rückfall aufweisen als Patienten der KE-Stichprobe (χ2(1)=6,22; p<0,05; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Überlebenskurven der Patienten der beiden Stichproben (Zeit bis zum ersten Rückfall) Patienten der QE-Stichprobe sind signifikant länger abstinent als Patienten der KE-Stichprobe (χ2(1)=6,22, p<0,05); Unterschiede zwischen den Anfangspunkten der Überlebenskurven werden durch 5 Patienten der KE-Stichprobe verursacht, die am Tag der Entlassung rückfällig wurden. KE körperliche Entgiftung, QE qualifizierte Entzugsbehandlung

Teilnahme an weiterführenden Behandlungsangeboten

In Abb. 2 ist der jeweilige Prozentsatz der Patienten beider Stichproben dargestellt, die berichteten, an der genannten suchtspezifischen Behandlungsmöglichkeiten teilgenommen zu haben. Patienten der QE-Stichprobe gaben insgesamt eine größere Bandbreite inanspruchgenommener Behandlungsangebote an als Patienten der KE-Stichprobe (t(97)=−0,32; p<0,01).

Abb. 2
figure 2

Inanspruchnahme weiterführender Behandlungsangebote durch die Patienten beider Stichproben. KE körperliche Entgiftung, QE qualifizierte Entzugsbehandlung, SHG Selbsthilfegruppe, APT ambulante Psychotherapie; TSB/SB teilstationäre oder stationäre Behandlung; *p<0,05, **p<0,001

Im Vergleich zur KE-Stichprobe gaben Patienten der QE-Stichprobe signifikant häufiger an, regelmäßig an Selbsthilfegruppen (χ2(1)=8,70; p<0,001) und psychotherapeutischen Behandlungen (χ2(1)=17,07; p<0,001) teilzunehmen. Patienten der KE-Stichprobe mussten häufiger weitere stationäre oder tagesklinische Behandlungsangebote in Anspruch nehmen (χ2(1)=13,50; p<0,05). Eine deskriptive Analyse der Variable stationäre oder tagesklinische Behandlungsangebote ergab, dass 15% der Patienten der KE-Stichprobe kurz nach der Entlassung eine stationäre Langzeittherapie begannen, während keiner der Patienten der QE-Stichprobe eine Langzeittherapie in diesem Zeitraum antrat. Da für Patienten der QE-Stichprobe Katamnesedaten auch für den Zeitraum bis 6 Monate nach der Entlassung vorlagen, berechneten wir den Prozentsatz der Patienten, die zwischen dem 3. und 6. Monat nach der Entlassung aus der QE eine Langzeittherapie begannen. Hierbei zeigte sich, dass gleichfalls 15% der Patienten der QE-Stichprobe eine Langzeittherapie machten, jedoch erst im Zeitraum 3 bis 6 Monate nach Entlassung.

Mit Bezug auf die Rückfallhäufigkeit zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang mit der Quantität der Teilnahme an verschiedenen weiterführenden suchtspezifischen Behandlungsangeboten oder der Art der in Anspruch genommenen weiterführenden Behandlung (alle p≥0,23).

Diskussion

Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu beachten, dass es sich um eine nichtrandomisierte Vergleichsstudie handelt. Auf der einen Seite erlauben die Unterschiede bezüglich Geschlecht, Dauer der Abhängigkeit und Anzahl vorausgegangener Entgiftungsbehandlungen zwischen den Patienten der beiden Behandlungsgruppen unserer Untersuchung wichtige Schlussfolgerungen hinsichtlich der Zuweisung alkoholabhängiger Patienten zu verschiedenen Behandlungseinrichtungen. Andererseits stellen diese Unterschiede aber möglicherweise auch eine Einschränkung der Interpretierbarkeit unserer Ergebnisse dar.

So können wir nicht ausschließen, dass die Unterschiede zwischen den Stichproben zu Behandlungsbeginn auch eine unterschiedliche Behandlungsmotivation abgebildet haben könnten und Auswirkungen auf die Ergebnisse hinsichtlich der Selbstwirksamkeit, des Trinkverhaltens und der Inanspruchnahme weiterführender Behandlungsangebote hatten. Durchgeführte Kovarianzanalysen und weitere statistische Analysen lieferten allerdings keine Hinweise für eine signifikante Konfundierung der berichteten Daten. Auch die Ergebnisse einer Regressionsanalyse wiesen daraufhin, dass die Teilnahme an QE oder KE der entscheidende Prädiktor der Rückfallhäufigkeit der Patienten unserer Stichproben zu sein scheint. Die unterschiedlichen Einschlussquoten für die Studienteilnahme könnten zwar auch auf motivationale Faktoren zurückgeführt werden, sind jedoch unseres Erachtens insbesondere auf strukturelle Unterschiede der beiden Behandlungseinheiten zurückzuführen. So wurde die QE-Stichprobe in einer universitären psychiatrischen Behandlungseinrichtung rekrutiert, in der zahlreiche Studien durchgeführt werden und Patienten die Teilnahme an Studien als eher selbstverständlich erachten. Demgegenüber wurde die KE-Stichprobe in einem Allgemeinkrankenhaus rekrutiert, in der die Durchführung von Studien als Ausnahme betrachtet werden kann. So führten in diesem Setting beispielsweise auch Abwesenheitszeiten des Studienarztes zu einem Rekrutierungsstopp.

Trotz klarer Einschränkungen aufgrund der fehlenden echten Kontrollbedingung, wie sie nur eine Randomisierung bietet, liefert der hier gewählte naturalistische Ansatz Daten über Selektionsprozesse oder Behandlungserfolge. Finney et al. betonen die Bedeutung naturalistischer nichtexperimenteller Studien, in denen die Patienten selbstverantwortlich unterschiedliche Behandlungsbedingungen auswählen, da diese prinzipiell eine bessere externe Validität bieten [12]. In einer anderen naturalistischen Studie, in der wir die Vermittlung in suchtmedizinische Behandlungsangebote nach werksärztlicher Intervention untersuchten, wurde die Relevanz nichtrandomisierter, naturalistischer Studien bestätigt [8].

Ferner ist der Zeitraum von 2 Monaten für die Katamneseerhebungen relativ kurz. Zahlreiche Untersuchungen belegen jedoch, dass die meisten Rückfälle kurz nach der Entlassung aus der stationären Behandlung auftreten und dass die Häufigkeit der Rückfälle mit der Zeit abnimmt. Insbesondere die Konfrontation mit risikobehafteten Situationen (wie beispielsweise bisherige Trinksituationen oder soziale Umfeldvariablen), die als Hauptgrund für einen Rückfall betrachtet werden können, findet im Allgemeinen in den ersten Wochen nach Entlassung statt, sodass eine angemessene Schätzung der Rückfallraten der beiden Stichproben zu erwarten ist. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die Katamneserate der QE-Stichprobe im oberen Bereich im Vergleich zu anderen Studien liegt. Zudem konnten eine Reihe von Studien zeigen, dass Selbstauskünfte der Patienten im Rahmen von Katamneseuntersuchungen bis zu einer Nachbeobachtungszeit von 5 Jahren als reliabel und valide angesehen werden können [5, 10].

Angesichts der wenigen vorliegenden Studien zur Effektivität der KE und zur vergleichenden Betrachtung von QE und KE kann unsere Untersuchung unter Berücksichtigung der genannten Einschränkungen dennoch wichtige Anhaltspunkte liefern. So weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass Patienten, die an einer QE teilgenommen haben, einen besseren poststationären suchtspezifischen Behandlungserfolg erzielen als Patienten, die eine KE durchlaufen haben: Bei der Entlassung aus der stationären Behandlung berichteten Patienten der QE-Stichprobe eine höhere Abstinenzzuversicht im Hinblick auf künftige Risikosituationen, und in den ersten beiden Monaten nach Entlassung zeigten sich sowohl eine höhere Abstinenzrate als auch eine längere Zeit bis zum ersten Rückfall im Vergleich zu Patienten der KE-Stichprobe.

Auch wenn es im Rahmen dieser Untersuchung nicht möglich war, Daten zur Abstinenzzuversicht zu Behandlungsbeginn zu erheben, und wir somit nicht ausschließen können, dass sich die beiden Gruppen bereits zu Behandlungsbeginn hinsichtlich ihrer Abstinenzzuversicht unterschieden, erachten wir die höhere selbstberichtete Abstinenzzuversicht der Patienten der QE-Stichprobe bei Entlassung als wichtigen Hinweis. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass die Wahrnehmung der eigenen Zuversicht, risikobehaftete Situationen erfolgreich zu bewältigen, einen relevanten Prädiktor für den Behandlungserfolg darstellt [1, 15, 21, 26]. Da unsere Ergebnisse ferner zeigen, dass Patienten mit einer hohen Anzahl vorausgegangener Entgiftungsbehandlungen generell eine niedrigere Abstinenzzuversicht berichteten, wäre es unseres Erachtens wichtig, die Abstinenzzuversicht weit häufiger als aktuell praktiziert zu fördern. Marlatt und Gordon weisen darauf hin, dass die wahrgenommene Verfügbarkeit von Bewältigungsfähigkeiten einen wichtigen Faktor darstellt, der die Abstinenzzuversicht beeinflusst [27]. Auch konnte gezeigt werden (z. B. [1]), dass eine Zunahme der Abstinenzzuversicht durch ein Training von Bewältigungsfertigkeiten erreicht wird. Ein solches Training wurde im Rahmen der QE-Behandlung angeboten, indem konkrete Übungen zum Erwerb von Bewältigungsfertigkeiten durchgeführt wurden und Patienten erste positive Erfahrungen im Ablehnen von Alkohol sammeln konnten. Die höhere Abstinenzzuversicht der QE-Stichprobe könnte somit im Zusammenhang mit dem im Rahmen der QE-Behandlung angebotenen Training von Bewältigungsfähigkeiten gesehen werden. Für zukünftige Untersuchungen wäre jedoch eine wiederholte Messung der Abstinenzzuversicht vor und nach Teilnahme an einer QE- bzw. KE-Behandlung wünschenswert, um diese Vermutung zu erhärten. Bisher liegen hierzu aus dem deutschsprachigen Raum keine validen veröffentlichten Daten vor.

Die Ergebnisse einer deskriptiven Analyse unserer Daten weisen darauf hin, dass in den ersten 2 Monaten nach Entlassung Patienten der KE-Stichprobe häufiger eine Langzeittherapie (LZT) absolvieren. Diese unterschiedliche Inanspruchnahme einer LZT innerhalb der ersten 2 Monate nach Entlassung ist unseres Erachtens im Wesentlichen auf die strukturellen Besonderheiten des deutschen Suchthilfesystems zurückzuführen. Patienten werden in der Regel erst dann in einer stationären LZT aufgenommen, wenn eine Zusage der Kostenübernahme durch den zuständigen Rentenversicherungsträger vorliegt. Dies verursacht in der Regel Wartezeiten bis zum Behandlungsantritt von etwa 2 bis 3 Monaten. Die Antragsstellung erfolgt in der Regel in den psychosozialen Beratungsstellen (PSB). Traditionell kommen dann häufig Patienten aus den PSBen zur KE, um die für die LZT notwendige Abstinenz herzustellen. Da die Berücksichtigung der für die QE-Stichprobe zur Verfügung stehenden Katamnesedaten für den Zeitraum bis zu 6 Monaten auf eine insgesamt vergleichbare Vermittlungsquote für QE und KE in eine LZT hinweisen, kann man vermuten, dass sich Patienten der QE-Stichprobe im Verlauf der QE für eine anschließende stationäre LZT entschlossen haben, worauf dann erst eine Übernahme der Kosten für eine LZT beantragt wurde. Eine exakte vergleichende Aussage kann hier allerdings nicht getroffen werden, da für die KE-Stichprobe keine 6-Monats-Katamnese-Daten verfügbar sind.

Interessant sind in diesem Zusammenhang jedoch auch die Ergebnisse einer Englischen Studie von Ryan und Kollegen, in der gezeigt wurde, dass durch ein gut koordiniertes Suchtversorgungssystem die Zuweisung der Patienten zur suchtspezifischen Behandlung verbessert werden kann [32]. Wie wichtig in diesem Zusammenhang die Erarbeitung von Indikationskriterien für verschiedene therapeutische Interventionen und die Entwicklung von Screening-Instrumenten ist, wird durch erste Ergebnisse des Projekts PREDICT [24] betont. In dieser randomisierten multizentrischen Untersuchung konnte gezeigt werden, dass Patienten, die nach einer pharmakologischen Behandlung rückfällig wurden und in Folge dessen zufällig entweder einer umfangreicheren psychotherapeutischen Interventionen (alkoholismusspezifische Psychotherapie [6]) oder einer weniger intensiven Intervention (medizinisches Management) zugeordnet wurden, die psychotherapeutische Intervention häufiger nicht antraten als die Minimalintervention [5]. Die Autoren führen dies auf die Frustration der Patienten aufgrund des vorausgegangenen Rückfalls zurück und einer daraus resultierenden geringen Behandlungsmotivation. Ein „Stepped-care-Ansatz“ kann somit auch mit Nachteilen verbunden sein, indem Patienten nach ersten erfolglosen Behandlungsversuchen nicht mehr motiviert sind, weitere Behandlungsangebote in Anspruch zu nehmen. Auch dies spricht für eine vermehrte Wahl der qualifizierten Entzugsbehandlung im Vergleich zur herkömmlichen körperlichen Entgiftungsbehandlung, um Suchtpatienten frühzeitig in das Versorgungssystem zu integrieren.

Fazit für die Praxis

Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Hauptziel der QE, die Vermittlung alkoholabhängiger Patienten in weiterführende ambulante und stationäre Behandlungsmaßnahmen, erreicht wird. Die Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen hinsichtlich der Dauer der Abhängigkeit, der Anzahl vorausgegangener Entgiftungsbehandlungen und des Geschlechts lassen vermuten, dass es unterschiedliche Zugangswege in die jeweiligen Behandlungsangebote (QE vs. KE) zu geben scheint. Frauen, Patienten mit einer geringeren Abhängigkeitsdauer und einer geringeren Anzahl bisheriger Entgiftungsbehandlungen werden häufiger in eine QE als eine KE aufgenommen. Dies könnte im Zusammenhang mit normativen Überzeugungen der zuweisenden ärztlichen Kollegen stehen, die beispielsweise schwer abhängige Patienten in Zusammenarbeit mit einer PSB eher in eine LZT mit vorheriger KE vermitteln und demgegenüber für Patienten mit einer geringeren Schwere der Abhängigkeit eine QE als ausreichend erachten. Der in Deutschland aktuell eingeschlagene Weg, durch Etablierung von regionalen Suchthilfeverbünden die Zusammenarbeit aller in der Suchthilfe beteiligten Akteure zu verbessern, scheint vor diesem Hintergrund vielversprechend und für die Betroffenen zielführend zu sein.