Tullio – Phänomen nach Kochlearimplantation

Zusammenfassung

Das sog. Tullio-Phänomen wird als akustisch auslösbare Gleichgewichtsstörung definiert. Sein Erstbeschreiber Tullio (1929) konnte tierexperiementell Schwingungen im häutigen Labyrinth nach akustischer Provokation nachweisen, die zu subjektiver Schwindelsymptomatik führen. Diverse Autoren beschreiben dieses Phänomen sowohl als physiologische Reaktion und als zusätzliches Symptom bei M. Menière. Verwachsungen zwischen Stapesfußplatte und häutigem Labyrinth nach Felsenbeinfrakturen, bei Zustand nach Labyrinthitis, Stapesfehllage oder bei Fisteln der Endolymophschläuche werden in ursächlichem Zusammenhang gebracht [3, 4, 7, 13]. In dem vorliegenden Fall beklagte der Patient einen akustisch auslösbaren Schwindel, der auch bei ausgeschaltetem „cochlear implant” (CI) bei Schallpegeln über 90 dB auftrat. Nach Amboßentfernung war subjektiv kein Schwindel mehr vorhanden, der Nystagmus nicht mehr nachweisbar. Nach CI-Operationen ist eine regelmäßige Otoskopie und eine adäquate Exploration möglicher postoperativer Komplikationen erforderlich. Insbesondere postoperative Schwindelbeschwerden erfordern eine subtile Diagnostik, um auch seltene, z.B. mittelohrbedingte Ursachen aufzuspüren.

Summary

The Tullio phenomenon is defined as an acoustically inducible vestibular disorder that was first described in 1929. In an animal experiment Tullio provoked acoustic oscillations at the labyrinth followed by signs of imbalance. In the literature this phenomenon can be found in healthy but sensitive persons as well as in patients with Meniere’s disease and patients with lesions between the stapes, footplate and the membranous labyrinth caused by fractures, stapes dislocations, labyrinthitis or perilymphatic fistulas. In this case report a patient complained about vertigo after cochlear implantation provoked by acoustical stimulation at a sound pressure level above 90 dB independent of the cochlear implant (CI). During tympanoscopy we found scar tissue surrounding the ossicles after CI. After disconnecting the ossicular chain no vertigo or nystagmus could be provoked. After CI regular ENT examinations and appropriate explorations of postoperative complaints are necessary. Vertigo especially requires very careful diagnostic procedures.