Zusammenfassung
Untersucht wurde, ob in der stationären Rehabilitation von Patienten mit psychischen/psychosomatischen Störungen Menschen mit Migrationshintergrund seltener behandelt werden, stärker belastet sind, weniger von der Behandlung profitieren und ein höheres Risiko für einen negativen Behandlungserfolg haben. Auf Grundlage einer prospektiven Stichprobe (N=25.066) wurden die Inanspruchnahme, die Symptombelastung, die Behandlungsqualität und der Einfluss von Risikofaktoren untersucht. Patienten mit Migrationshintergrund zeigen eine geringere Inanspruchnahme und eine höhere psychopathologische Gesamtbelastung. Türkische Patienten und Patienten aus dem ehemaligen Jugoslawien erzielen die geringsten Behandlungserfolge. Die Regressionsanalyse unterstreicht die Bedeutung der klinischen und soziodemografischen Faktoren als unabhängige negative Prädiktoren des Behandlungserfolgs. Behandlungskonzepte sollten sich stärker an den Bedürfnissen von Patienten mit Migrationshintergrund und an denen sozioökonomisch benachteiligter Patienten orientieren.
Abstract
It was evaluated in an inpatient rehabilitation setting whether patients with mental or psychosomatic disorders people with a migration background are treated less frequently, profit less from the treatment, and have a higher risk for a negative outcome. On the basis of a prospective sample (n=25,066), the healthcare utilization of inpatient rehabilitation institutions, the level of mental stress, the quality of treatment, and the influence of risk factors were reviewed. Patients with a migration background show a lower level of health care utilization and a higher level of overall mental stress. Turkish patients and patients from the former Yugoslavia show the poorest treatment results. The regression analysis underlines clinical and sociodemographic factors as independent, negative predictors for good treatment results. Treatment concepts should be more strongly oriented to the needs of patients with a migration background and socioeconomically deprived patients.
Notes
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung, wie zum Beispiel Patient/Innen, verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung im Folgenden für beide Geschlechter.
Im Folgenden werden nicht-deutsche Patienten und Aus- und Übersiedler als Patienten mit Migrationshintergrund den deutschen Patienten gegenübergestellt. Diese mangelnde inhaltliche Trennschärfe wird für den einfacheren Lesefluss und eine übersichtlichere Tabellenbezeichnung in Kauf genommen.
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Mösko, MO., Pradel, S. & Schulz, H. Die Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund in der psychosomatischen Rehabilitation. Bundesgesundheitsbl. 54, 465–474 (2011). https://doi.org/10.1007/s00103-011-1245-x
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00103-011-1245-x
Schlüsselwörter
- Migrationshintergrund
- Stationäre Rehabilitation
- Psychische/psychosomatische Störungen
- Inanspruchnahme
- Behandlungsergebnis