Rofo 2009; 181(4): 303-305
DOI: 10.1055/s-0029-1214222
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Juvenile Idiopathische Arthritis – die heimliche Entzündung kindlicher Kiefergelenke

Juvenile Idiopathic ArthritisN. Tzaribachev, J. Schäfer, U. Ernemann, M. Horger
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Publication Date:
25 March 2009 (online)

Die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) ist die häufigste autoimmune Erkrankung im Kindesalter. Je nach Verlauf und Gelenkbefallsmuster werden bei der JIA verschiedene Subgruppen unterschieden. Allen gemeinsam ist eine Beteiligung der Kiefergelenke (TMJs), die in bis zu 87 % der Patienten auftritt. Fast die Hälfte der Fälle verlaufen asymptomatisch. Die Anatomie des TMJ wird geformt durch den Processus condylaris der Mandibula, die Fossa mandibularis und das Tuberculum articulare. Die Gelenke werden durch eine hyalin-kartilaginäre Schicht begrenzt. Zwischen den Gelenkflächen liegt ein fibro-kartilaginärer Diskus mit bikonkaver Morphologie. Dadurch wird der Gelenkspalt in eine obere und eine untere Kammer unterteilt. Die Vorder- und Hinterkanten des Diskus sind mediolateral länger als anteroposterior und werden als vorderes und hinteres Band bezeichnet. Das vordere Band befestigt sich an die artikuläre Eminenz, dem mandibulären Köpfchen und der Gelenkkapsel. Das hintere Band ist umgeben von stark durchblutetem lockerem Bindegewebe und befestigt sich an dem Kiefergelenksköpfchen und dem Temporalknochen. Bei geschlossenem Mund liegt der Diskus zwischen Kiefergelenksköpfchen (unten) und der mandibulären Fossa und vorderen Eminenz (oben). Die physiologische Mundöffnung wird durch das lockere Bindegewebe des posterioren Bandes ermöglicht. Eine Besonderheit in der Anatomie kindlicher Kiefergelenke stellt die subchondral gelegene Wachstumsfuge dar und damit ihre Vulnerabilität im Rahmen chronischer Entzündungen. Für das regelrechte Wachstum, Kiefer- und Gebissformung und der Vermeidung von Spätfolgen der Arthritis ist eine frühe Erkennung und adäquate Behandlung der TMJ-Inflammation von herausragender Bedeutung. In fast der Hälfte dieser Kinder wird die Gelenkentzündung asymptomatisch ablaufen (Twilt M, Schulten AJ, Verschure F et al. Arthritis Rheum 2008; 59: 546–552). Eine chronische TMJ-Arthritis würde unerkannt oder unzureichend behandelt zu Wachstumsstörungen und Gelenkdestruktionen führen und damit einen starken Einfluss auf die Formung von Gebiss und Gesicht nehmen ( Twilt M, van der Giesen E, Mobers SM et al. Ann Rheum Dis 2003; 62: 366–367). Dabei stellt die Magnetresonanztomografie (MRT) die Methode der ersten Wahl zur Sicherung einer frühen JIA und zur Kontrolle des Therapieerfolgs dar. In der vorliegenden Übersichtsarbeit sollen anhand von Patientenbeispielen typische Befallsmuster und die Bedeutung der MRT in der frühen Diagnostik der TMJ-Arthritis, aber auch Spätfolgen des chronischen Verlaufs dargestellt werden.

Für die Diagnostik der TMJ-Arthritis stehen grundsätzlich verschiedene bildgebende Verfahren zur Verfügung. Die bis jetzt am häufigsten verwendeten Röntgenbilder zeigen in den allermeisten Fällen nur die Spätfolgen der Gelenkentzündung (Arabshahi B, Baskin KM, Cron RQ. Pediatr Rheumatol Online J 2007; 5: 4). Die Sonografie ist oft durch die besondere Lage der TMJs erschwert, sehr untersucherabhängig und damit für die breite Anwendung unzuverlässig (Weiss PF, Arabshahi B, Johnson A et al. Arthritis Rheum 2008; 58: 1189–1196). Aufgrund des hohen Auflösungsvermögens und der hohen Weichteilsensitivität sowie der Möglichkeit der Verwendung von Kontrastmittel zur besseren Darstellung von Entzündungen erweist sich die Magnetresonanztomografie (MRT) als das einzig zuverlässige Verfahren insbesondere für die Erfassung von Frühzeichen der Arthritis (Abb. [1a], [1b], [1c], [1d]).

Abb. 1a-h Die axiale T1-gewichtete fett-unterdrückte Sequenz (a) zeigt eine zirkuläre KM-Aufnahme in der TMJ-Synovia (Pfeil) rechts bei einseitiger Inflammation im Rahmen einer JIA. Das linke TMJ zeigt im Gegensatz dazu ein unauffälliges Signal sowohl in der Synovia als auch im angrenzenden Knochenmark. Axiale fettunterdrückte T1-gewichtete Post-KM-Aufnahme (b) mit Darstellung einer TMJ-Inflammation mit vermehrtem Synovia-Enhancement und Knochenmarkhyperemie (Pfeil) links sowie Asymmetrie beider Proccessus condylaris. Koronare fett-unterdrückte T1-gewichtete Post-KM-Aufnahme (c) mit Darstellung beider TMJ. Es fallen eine starke Knochenmarkhyperemie (Pfeilkopf) sowie eine ipsilaterale Synoviaverdickung (Pfeil) auf. Die koronare fettunterdrückte T1-gewichtete Post-KM-Aufnahme (d) zeigt eine deutliche Deformierung des linken Proccessus condylaris. Das rechte TMJ stellt sich dagegen unauffällig dar. Angulierte sagittale T1-gewichtete Aufnahmen (e, f) von pathologisch veränderten TMJs. Nachweis einer Abflachung und Verkürzung der linken Mandibulaköpfchen sowie eine Konturirregularität der Gelenkflächen (Pfeile) im Sinne von Mikrognathien mit Gelenksdetsruktionen. Angulierte sagittale T1-gewichtete Aufnahmen (g, h) von 2 verschiedenen Kindern mit bekannter JIA. Typische Zeichen der Mikro- und Retrognathie (Pfeil). In der Abb. 1h lässt sich außerdem eine Ausfransung des verkürzten Processus condylaris infolge der Erosion durch JIA erkennen (Pfeil).

Prinzipiell können MR-tomografisch folgende Befunde der TMJ-Arthritis erhoben werden: Synovitis, Weichteilödem, Gelenkerguss und Gelenkspaltverschmälerung, kartilaginäre Destruktion, Usuren, Knochenmarködem und pathologische Veränderungen am Discus Articularis. Aufgrund der hohen Vaskularisation kann ein Weichteilödem besonders früh im Bereich des posterioren Bands gefunden werden. T2-gewichtete fettunterdrückte Sequenzen (insbesondere STIR) erweisen sich als besonders nützlich. Kontrastmittel-angehobene T1-gewichtete fettunterdrückte Spin-echo-Sequenzen sind für die Beurteilung der Entzündungsaktivität allerdings unerlässlich. MRT-Zeichen der frühen Arthritis sind der Gelenkerguss, die Synovitis und das Knochenmarködem (Abb. [1a], [1b]). In der Folge kommt es dann zu juxtaartikulären Erosionen. Späte Veränderungen werden charakterisiert durch die Abflachung, Resorption, Verkürzung und Verbreiterung des mandibulären Köpfchens (Mikrognathie) oder Dorsalversatz (Retrognathie), Knochensklerose und Diskusdislokation (Abb. [1e], [1f], [1g] [1h], Abb. [2a], [2b]).

Abb. 2 Aufnahmen (GRE-Sequenz) der beiden Mandibulakondylen bei geöffnetem Mund im Rahmen der Kinetik-Beurteilung. Auf a ist eine physiologische partielle Translation des Mandibulaköpfchen nach vorne nachzuvollziehen, während kontralateral eine eindeutig eingeschränkte Beweglichkeit (rechtes TMJ) dokumentiert wurde (b).

Die Therapie der JIA folgt einem international anerkannten Stufenplan. Nicht steroidale Antirrheumatika (NSAR) sind die am häufigsten verwendeten Medikamente. Bei chronisch rezidivierenden Verläufen (JIA-oligoartikulär) oder primär aggressiv verlaufenden Entitäten (JIA polyartikulär, M. Still) werden immunmodulierende Substanzen – DMARDs (Disease modifying drugs) verwendet. Dabei ist das am häufigsten verabreichte Medikament Methotrexat. Bei einem Therapieversagen unter Methotrexat werden seit einigen Jahren TNF-a-Antagonisten mit guten Ergebnissen verwendet. Intraartikuläre Steroide stellen eine weitere, häufig verwendete Therapieoption dar (Cahill AM, Baskin KM, Kaye RD et al. AJR Am J Roentgenol 2007;188: 182–186). Zur Behandlung der TMJ-Arthritis können Steroide "blind" ins Gelenk instilliert werden. Unter Berücksichtigung der anatomischen Komplexität und der besonderen Lage der TMJs empfiehlt es sich, diese Intervention unter laufender Bildgebung durchzuführen. Dabei bietet sich die Sonografie als am leichtesten zugängliche Methode an. Wie bereits erwähnt, ist sie aber sehr untersucherabhängig und damit schwer durchführbar. Eine CT-Steuerung wird an manchen Zentren verwendet. Hier muss jedoch das oft junge Alter der Patienten und die relativ hohe Strahlenbelastung einer solchen Intervention bedacht werden. Die MRT-Steuerung gibt durch die hohe Wassersensitivität und das hohe Auflösungsvermögen die Möglichkeit nicht nur der exakten Positionierung der Nadel, sondern auch der korrekten intraartikulären Instillation des Steroids (Abb. [3a], [3b], [3c], [3d]; Abb. [4a], [4b]). Die fehlende Strahlenbelastung und die gute Darstellbarkeit der in der Nähe liegenden Gefäße lassen dieses Verfahren in der Pädiatrie am sichersten erscheinen.

Abb. 3a-d Multiplanare Darstellung des rechten TMJ im Rahmen der Nadelplatzierung bei MRT-gesteuerten Gelenkinfiltration. Durch diskrete Suszeptibilitätsartefakte sind sowohl die Nadel als auch die Anatomie immer gut abgrenzbar (Pfeile). Abbildung c und d zeigen den Verlauf der TMJ-Synovitis vor (c, Pfeil) und nach lokaler, intrakavitärer Applikation von Kortikosteroiden. Abbildung d weist kein residuelles synoviales Enhancement auf.

Abb. 4a, b MRT-Dokumentation der intrartikulären Lage des applizierten Kortikosteroids nach Beimischung von Gd-haltigem Kontrastmittel (Pfeile).

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